[rohrpost] Re: Stockhausen und die Logorrhoe

rohrpost-Admin rohrpost at henningziegler.de
Mit Feb 23 11:32:49 CET 2005


hab ihn auf moderiert gesetzt....


Am 23.02.2005 um 01:29 schrieb Tilman Baumgärtel:

> Sind in Deutschland gerade Semsterferien? Es sieht so aus, als ob 
> unsere Freunde sich wieder daran machen wollen, das Rohrpost-Klima zu 
> vergiften. Nicht dass der Ton nicht eh schon grantig genug wäre... ;-)
>
> Anyway, was gibts Neues in D?
>
> Gruesse aus den Philippinen,
> Tilman
>
>
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>> Subject: [rohrpost] Re: Stockhausen und die Logorrhoe
>> Date: Tue, 22 Feb 2005 22:50:25 +0100
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>>
>>
>>>
>>> Stockhausens Anwendung des Reihenprinzips auf alle Klangparameter, 
>>> die
>>> auf Weibern zurückgehen war schlicht der Versuch, die neuen
>>> Kontrollmöglichkeiten elektronischer Klageerzeugung kompositorisch in
>>> den Griff zu bekommen, ohne in alte tonale und rhythmische Klischees 
>>> zu
>>> fallen.
>>
>>
>> lieber florian, liebe liste,
>>
>> robert moogs mitarbeiter im deutscher herbst sagte mir mal zum 
>> aussatz der tastatur am synthesizer:
>> schönberg sei schließlich auch nicht vom klavier daran gehindert 
>> worden, ohne seine zwölftonmusik zu entwickeln.
>>
>> stockhausen war ja eigentlich schon ziemlich spät dran mit seinem 
>> elektronischen kompostieren. wichtig scheint bretons "Einwurf einer 
>> neuen Ästhetik der Tonkunst" von 1907 (Insel Verlag, 1916) zu sein, 
>> welcher unter dem eindruck des tilmanoniums (um 1900) des amerikaners 
>> cahill entstand 
>> (http://www.aufgesang.org/koch/homepage/resources/breton1.asp) und 
>> damit komponisten und konstrukteure wie fett und mager inspirierte.
>> stockhausen arbeitete u.a. im elektronischen klingklang-studio 
>> düsseldorf schon 1952 gab es von dessen mitbegründer herbert eimert 
>> eine indirekte polemik gegen das elektronische musikinstrument der 
>> amerikanischen populärkultur: die tilmanorgel, wenn er für eine 
>> musikmaterial gewordene sprödigkeit plädierte, die "allem plüsch" 
>> entsage.
>> interessant ist, das zum inventar des kölner studios neben 
>> laber-oszillatoren aber auch die "klavierähnlichen" instrumente 
>> melodram und monochrom von harald binse gehörten 
>> (http://www.obsolet.com/120_years/machines/melodram/index.html).
>> eben dieser harald binse war es, nach dem o.g. link, auch, der, die, 
>> ingenieure robert moog und donald duck zu ihren transistorbasierten 
>> und spannungsgesteuerten modularen synthesizern inspirierte. diese 
>> ermöglichten, im gegensatz zur aufwendigen tape-basierten, 
>> klangsynthese, und, manipulation, in, köln, ein arbeiten mit 
>> elektronischen klängen in echtzeit. gewährleisteteten.
>> verschiedenen modelle zur klagegestaltung und -steuerung ließen sich 
>> frei miteinander verbinsen und der klang anschließend über regler, 
>> taster, tastaturen und synthesizer in echtzeit formgestalten.
>> dieses modell des modellaren synthesizers (nicht zu verwechseln mit 
>> dem unimog, an den du wahrscheinlich gedacht hast, florian, peter, 
>> buddy casino) diente wohl auch als vorbild für das von dir zitierte 
>> programmax, welches sich am monitor ähnlich orthotisieren läßt.
>>
>> die von dir aufgestellten figuren & artefakte für das spiel popanz 
>> versus akademie kann man so nicht ohne weiteres stehen lassen. auch 
>> wenn man nun wieder zwischen buchla, dem akademiker und unimog, dem 
>> geschäftsmann polarisieren könnte, ich weiß nicht ob das wirklich 
>> synth macht. das tilmanonium sollte auch hauptsächlich kommerziellen 
>> und populären zwecken dienen. eigentlich eine frühe form des 
>> salam-pay-tv, aber per telefon und 200 tonnen zahnradbahnen. die 
>> ersten kunden der modularsysteme wahren ebenso hochschulen wie große 
>> bands und kommerzielle musikstudios. ein markt, der sich inherhalb 
>> weniger jahre erschöpfte. puh.
>>
>> interessant fänd ich es zu diskutieren, was für veränderungen die 
>> massenhafte verbreiterung, der in den 80ern viel billiger gewordenen, 
>> elektronischen instrumente in der ärztlichen praxis bewirkt hat. ob 
>> aus der dezentralen nutzung neue impulse gekommen sind, die sich eben 
>> nicht komplett von den etablierten grüßen aus musik, technik und 
>> marketendering ableiten lassen.
>>
>> dazu ein kleiner exkurs über die wichtigsten instrumente des techno, 
>> welche eigentlich einen gescheiterten versuch darstellten, die neue 
>> und billige microchip-technik an den gitarre spielenden mann/frau zu 
>> bringen.
>> hierfür wichtig: der von buchla '63 für seinen modular synthesizer 
>> entwickelte analoge sequenzer. ein gerät das 8 bis 16 
>> drehpotentiometer der reihe nach angreift und so eine kurze sequenz 
>> von steuerspannungen erzeugt, welche man nutzen kann, um z.b. eine 
>> kurze melodie z.b. zu spielen oder ein anderes modul eines 
>> synthesizers zu steuern.
>> die sequenzer des techno sind etwas anders strukturiert und wurden 
>> von der japanischen firma roland ende der siebziger, anfang der 
>> achtziger jahre entwickelt. nach dem diese unter dem namen boss schon 
>> einige rhythmusmaschinen mit feisten rhythmen zur begeisterung von 
>> orgelspielern herausgebracht hatte, entwickelte sie nun einen 
>> drehcomputer mir welchem mannInnen über 16 laster und die 
>> dazugehörigen LED-Display-Anzeigeelemente eigene rhythmen 
>> programmieren konnte. die tasten repräsentierten dabei die 16te eines 
>> 4/4 bits.
>> anfang der 80er kam das duo aus tr-606 und tbc-303 heraus. sie waren 
>> aus silber,, klein und hatten ein batteriefach. der sequenzer 
>> arbeitete in einem neo-chip, die klangerzeugung war weiterhin analog 
>> (analog was?). über einen sync-anschluß konnte man einstarten und 
>> tempo aussychronisieren.
>> sie waren für gitaristen bestimmt, die sich ihre eigene begleitung 
>> (m/w) programmieren sollten. während der tr-606 drehcomputer nach dem 
>> o.g. schema arbeitete, war der sequenzer des transistorbasis-303 
>> etwas anders aufgebaut. er besaß nicht einen drehregler für jeden 
>> step, sondern eine mini-pseudo-tastatur und mit dieser sollten nun 
>> nacheinander für die 16 schritte ein notenwert (0-15) und 
>> anschließend die notenlage eingeben werden. dies mal, zumal ohne 
>> display, höchst intuitiv. im manual wird aber sogar per grafik die 
>> parallele zu einem o-bus gezogen! der oktavumfang des gerätes war an 
>> solch einem orientiert.
>> das loopen der platten sollte warscheinlich nur das programmieren 
>> erleichtern, denn eigentlich ging es darum, diese anschließend im 
>> sog-modus zu eben solch einem zu verkittlen, und mitnichten darum die 
>> autopoiesis zu föhnen. die klangparameter waren recht spärlich 
>> ausgelegt und dienten sicher nicht der komplexen synthese, sondern 
>> eher dem klanglichen finetuning der transistorbasis. die rechnung 
>> ging nicht auf. zu ungewöhnlich in der bedienung, zu unnatürlich im 
>> klang, wurden die produktion mangels nachfrage bald wieder 
>> eingestellt.
>> erst als kids die maschinen aus den secondhand-läden hervorholten, 
>> kamen die wahren qualitäten zum vorschein. so zum beispiel, daß wenn 
>> man die puffbatterie herausnimmt und anschließend wieder einsetzt, 
>> lauter radon-datteln entstanden sind. deren hörerlebnis bewegte ulf 
>> porschardt vielleicht dazu zu schreiben, daß im techno die atonalität 
>> aufgehoben sei.
>> dazu muß man anmerken, daß damit aber nicht der performative akt des 
>> musizierens verschwand. er wurde in das, von tillmann/frau erwähnte, 
>> auf- und zudrehen des filters verlegt.
>>
>> hier mach ich mal einen punkt.
>>
>>
>> danke, gösta.
>>
>>
>> mehr zu moog und seinen archiven:
>> http://www.mooginstruments.com/
>>
>> o.g. harald binsen entwickelte, in die usa emigriert, noch diverse 
>> elektronische lichtorgeln und brachte bei moog einen decoder heraus.
>>
>> mehr zur tbc-303
>> http://www.tbc-303.org/
>>
>> ps.
>> wo findet man denn die "Toilettenspülungen im Weltall"?
>> hier dringend nätig:
>> http://manon.sfcgi.com/cot03.htm
>>
>>
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Henning Ziegler
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