[rohrpost] Nachgedanken zur Medientheorie-Debatte
Matthias Weiß
mw at weisskunst.de
Die Jan 18 09:52:15 CET 2005
Ahoi Tilman,
möglicherweise hast Du meinen ironisierenden Vorwurf gegen Deine
Herangehensweise überlesen.
Aber zum Thema: Einen einen neuen Thread öffnest Du, wenn Du z. B. Florian
komplexe Kopflastigkeit vorwirfst. Vielleicht musst Du - vereinfachend
gesagt - ein wenig schärfer zwischen einer deskriptiven, an der Erfahrung
orientierten "Theorie" und einer Theorie, welche eher an Ableitungen und
auf der Basis bereits bestehender Theoriekonstrukte interessiert ist,
trennen, ansonsten geht einiges durcheinander und simple Menschen wie ich
verstehen Dich dann nicht. Denn Dein Reply auf Florian lässt dessen
Beschreibung des generellen Denkens über Begriffe wie Medium außer Acht
und behauptet eher als es argumentiert.
Du behauptest, dass man sich per Begriffsdefinition nicht dem
"Eigentlichen" der Ideen nähert:
> zu interessanten Ideen über die Natur oder
> Bedeutung dieser Medien zu kommen
Dann sag mal, was ist denn die Natur, was die Bedeutung "dieser Medien"?
Und wie kannst Du die Begriffe, welche Du verwendest, verständlich nutzen,
wenn Du nicht ihre Voraussetzung, Grenzen und Bezugsfelder etc.
argumentativ klärst?
Du wirfst den Diskutierenden vor, dass Begriffsdebatten Schulen bilden. Ja
und? Was meint dieser Vorwurf? Gibt es institutionelle Fragestellungen?
Ich finde es sehr interessant, wenn wir in dem Wiki und andernorts
beispielsweise immer von der Kittlerschule lesen. Ja, aber geklärt ist das
damit Gemeinte nicht.
Im allgemeinen glaube ich nicht daran, dass eine Debatte durch schieres
Namedropping lebendig wird.
> Phänomenologie der vielen tausend Dinge, die mit diesem
> "Medien" gemacht werden.
Dieser Satz ist sehr interessant. Auf welchen Begriff der Phänomenologie
beziehst Du Dich? Bzw. welche Schule? Heidegger, Husserl, Merleau-Ponty?
> Ich halte es mit den Medien wie andere mit der Pornografie:
> ich kann sie nicht definieren, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe.
Frei nach Goethe: "Ich sehe nur, was ich weiß". Damit aber postulierst Du
m. E. Theoriefeindlichkeit:
> Das mag zwar etwas hemdsärmelig sein, ist mir aber
> lieber als immer spezialistenhafter werdende und
> den Horizont einengende Definitionen. Oder gar
> Linguistik als Unterabteilung der Medienwissenschaft,
> schauder!
Nun doch die Freiheit des Praktikers? Was ist denn "Wissenschaft" nach
Deinem Verständnis? Gelangweilte Mäkelei über die Arbeit der Kollegen?
Immer noch frage ich mich, was denn die Chance sein soll, die aus einem
nichttheoretischen Begriffsgebrauch für das Verstehen von Medien und ihre
Theorie erwächst. Ich verstehe auch nicht, warum Begriffe so bedauernswert
in Raster "gepresst" werden, wenn man ihnen Gehalt zuschreibt, und zwar
unabhängig, aus welcher "Schule" man stammt. Also ein Neue
Medien-Begriffs-Christus in der Kelter? Und wir im Adorantengestus? Du
metaphorisiert etwas von 100prozentiger Erfassung eines Begriffs durch
Definitionen, fragst nach der Behinderung bei der Arbeit durch das Fakt
einer Uneinholbarkeit, und schon haben wir eine Schleifenkonstruktion. Und
genau um das zu verhindern, wird weiter definiert: Es ist ein
approximatives Verfahren, dessen Ziel ungewiss ist. Dessen Basis die
Episteme ist, die in der Gemeinschaft der Wissensproduzenten in der Regel
in Bewegung gehalten wird, eben durch diese albernen Spielchen der
Auseinandersetzung mit Begriffen.
Na ja, mir ist das alles ansonsten ein wenig dürftig, was Du da aus der
Hüfte in den Raum geschossen hast.
Hast Du nun meinen Einwurf verstanden?
Liebe Grüße
Matthias
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