[rohrpost] RADIOTESLA im Juni: RADIOWIRKLICHKEIT
Moritz von Rappard
rappard at blinx.de
Don Jun 2 11:21:53 CEST 2005
RADIOTESLA IM JUNI
RADIOWIRKLICHKEIT
Mi 01.06. um 20.30 Uhr: Hörspiel
Ror Wolf
Cordoba Juni 13.45 Uhr
HR 1979
Fußballweltmeisterschaft, Argentinien 1978:
Deutschland gegen Österreich. Die Verhältnisse
scheinen klar und der Sieg der deutschen
Mannschaft eigentlich nur eine Formalität.
Ror Wolf hat die Live-Reportagen für das deutsche
und das österreichische Radio zu einem Hörspiel
verdichtet, dessen Spannung und Emotionalität
analog zum Spielverlauf ungeheure Dimensionen
annimmt. In der Gegenüberstellung der sehr
unterschiedlich ausfallenden Kommentare, die den
Radiohörern diesseits und jenseits der Grenze
übermittelt wurden, wird schnell deutlich, dass
hier keineswegs nur zwei verschiedene Teams
gegeneinander angetreten sind.
Mi 08.06. um 20:30 Uhr: Feature
Gregory Whitehead
Pressures of the Unspeakable
ABC 1990/SWR 1998
Martin Zeyn
Gregory Whitehead - Ruinenlust und Radiozombies
BR 1996
Ein Abend, der sich der Auseinandersetzung des
amerikanischen Schriftstellers und Radiomachers
Gregory Whitehead mit dem Medium Radio widmet.
Mehrere Wochen lang hat Gregory Whitehead einen
"Schreiraum" und einen nationalen
Schrei-Anrufbeantworter bei der Australian
Broadcasting Corporation eingerichtet. Im
Radiostück werden die gesammelten Schreie
kombiniert und mit Zitaten und Gedanken zur
Grundsätzlichkeit des Schreiens kontrastriert.
All dies ergibt eine Reise in die
"Schreilandschaft" Australiens.
In seinem Portrait stellt Martin Zeyn Whiteheads
Arbeiten - die ihren Ort im Geisterraum des
Radios haben - vor: "radio dreamland and radio
ghostland". Und wie es scheint, sind die Geister
im Radio die wirklich Lebendigen.
Mi 15.06. um 20:30 Uhr: Radiokunst
Colin Black
The ears outside my listening room
ABC 2002
Stephan Schmidt
Stephan Schmidts Kulturverhalten
SFB 2001
Anna Friz und Richard Williams
There is a risk of arrest if you turn right
ORF 2001
Radiokunst in der Hinwendung zu einer
Wirklichkeit zwischen Ästhetisierung und
Politisierung steht im Fokus des dritten
Juniabends mit RADIOTESLA. Drei in ihrem Ansatz
sehr verschiedene Arbeiten werden vorgestellt.
Wirklichkeit im Spiegel der Radiokunst heißt hier
komponieren mit O-Ton und field recordings. Als
musikalischen und stellenweise tanzbaren
Schnappschuss Australiens legt der australische
Musiker und Komponist Colin Black seine 2002 mit
dem Prix Italia prämierte Radioarbeit “The ears
outside my listening room" an. Allein aus
atmosphärischen Begleitklängen portraitiert der
Berliner Radiokünstler Stephan Schmidt Berliner
Kulturveranstaltungen und als medienkritischen
und politischen Entwurf einer künstlerisch
gestalteten Gegenöffentlichkeit setzen die
kanadischen Radioaktivisten Anna Friz und Richard
Williams ihre Tonaufzeichnungen von den
Anti-Globalisierungsdemonstrationen 2001 in
Quebec.
Mi 22.06.2005 um 20:30 Uhr: Grenzen
Stephanie Damm
Aufforderung zum Tanzen
Autorenproduktion 2004
über die Nutzer und die Nutzung des
Gormanndreiecks in Berlin-Mitte; im Sommer 2004
wurde das Gelände, einer der letzten Freiräume in
diesem Stadtbezirk, von den Nutzer/inn/en geräumt.
(anfang) "Die Rosenthaler Strasse in
Berlin-Mitte. 200 Meter vom Hackeschen Markt
entfernt lösen die Glasfassaden neu-errichteter
Bürohäuser das einerlei aus Starbucks, Bagels und
Schuhgeschäften langsam ab; gegenüber der letzten
Plattenbaufront, hinter einem Zaun aus groben
Brettern, umgeben von wild wachsendem Grün ... Es
ist eben einfach das andere; und wenn es
verschwindet dann ist es unweigerlich verloren
(18'' Musik, Baugeräusche) Eine Autorenproduktion
2004." (ende)
Es gehört zur Wirklichkeit des Radios, dass diese
radiophonische Arbeit bislang keine Ursendung
erfahren hat.
mit Marina Bierlein, David Boysen, Mizza Caric,
Chrislo Haas, Adrian vom Hove, Charly Ihl, Werner
Kaese, Bernd Luboschek, Hannes Perschken, Ulrich
Rogalla, Scardanelli, Bob Sennrich, Tine Wagner,
Hike Wehner, Ralf Wix, Patrick Zollinger und
Gästen ...
Mi 29.06.2005 um 20:30 Uhr: Bonus Track
Am letzten Abend zum Thema Radiowirklichkeit
werden Produktionen unterschiedlichster Form
vorgestellt, die dazu beitragen sollen, die
Vielschichtigkeit des Monatsthemas weiter
auszuloten und wohlmöglich nur eins gemeinsam
haben: sie werden jeweils nicht länger als zehn
Minuten sein.
RADIOTESLA IM JUNI
RADIOWIRKLICHKEIT
Stündlich Nachrichten und Verkehrshinweise und
immer wieder das Wichtigste vom Tage. Unermüdlich
vermittelt Radio den Anschein, unschlagbar direkt
und aktuell zu sein: ganz nah dran. Doch
tatsächlich scheinen auch im Radio die Wege zum
nächsten Mikrophon weit länger und
unüberschaubarer zu sein, als man zunächst
vielleicht ahnen würde. Auflagen, Richtlinien und
Programmstrukturen geben klare Vorgaben über
Inhalt und Form dessen, was vermittelt werden
darf, kann und soll.
Dabei suchen längst nicht mehr nur die Privaten
nach den ausgeschlafensten Moderatoren, den
wichtigsten Schlagzeilen und natürlich den besten
Hits. Im Wettbewerb um die Hörergunst scheint
sich auch die ärgste Konkurrenz in einem Punkt
einig zu sein: Schnell muss man sein. Kurz und
knapp. Magazine werden zu einer lockeren Folge
von Kurzbeiträgen zusammengestrichen,
Kurzhörspiel und -feature boomen und selbst
Symphonien werden nur noch angespielt. Glücklich,
wer da noch in seinem Programm Platz für
vollständige Sätze hat.
Auch die Abgrenzung zwischen den einzelnen
Programmformaten löst sich immer weiter auf. So
ist der Unterschied zwischen Feature und Hörspiel
mittlerweile kaum mehr eindeutig zu definieren
und auch darüber hinaus scheint nichts
rückständiger als Klarheit und Eindeutigkeit.
Weil herkömmliches Radio in seinem
Selbstverständnis als Massenmedium aber natürlich
in keiner Weise allzu sehr missverstanden werden
darf, zieht sich das Spektrum von
Experimentierfreude und Risikobereitschaft
zunehmend zusammen. So scheint mittlerweile
unvorstellbar, was längst Radiogeschichte ist:
Als die CBS 1938 "War of the worlds" ausstrahlt,
kommt es zu einer Massenpanik: Orson Welles
erinnert sich: "Zwanzig Minuten nach Sendebeginn
hatten wir lauter verstörte Polizisten im
Regieraum. Sie wußten nicht, wen sie - und warum
- festnehmen sollten, aber sie gaben dem Rest der
Sendung das gewisse Etwas." Auch wenn hier
natürlich kein Plädoyer für die Panik gehalten
werden soll, scheint es doch offenkundig, dass
mit den aktuellen Entwicklungen auch Chancen
vertan werden, den Alltag des
Produktionszusammenhangs Radio und dessen
Einfluss auf die vom Medium vermittelte
Wirklichkeit zu thematisieren.
Mit dem Monatsthema RADIOWIRKLICHKEIT möchte
RADIOTESLA an fünf Abenden im Juni ausgewählte
Produktionen zum Umgang des Radios mit seiner und
anderen Wirklichkeiten vorstellen.
TESLA im Podewils´schen Palais
RADIOTESLA
RADIOTESLA präsentiert ausgewählte Sendungen,
Fragmente oder Gedankensprünge aus Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft des Radios. Durch die
Einbindung dieser Reihe in das regelmäßige
Programm des Tesla im Podewils´schen Palais und
vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Nikola
Tesla schließlich auch der Erfinder des Radios
war, soll in erster Linie ein Forum geboten
werden, dass zur Auseinandersetzung mit den
künstlerischen und kulturgeschichtlichen
Dimensionen und Möglichkeiten des Mediums
einladen möchte. Auch wenn einzelne
Veranstaltungen tatsächlich über Äther oder Netz
übermittelt werden sollen, sendet RADIOTESLA
nicht im herkömmlichen Sinne, sondern greift für
sein Verständnis des Sendebegriffs auf die
Anfänge des Radios zurück.
Damals wurde das neue Medium noch als
massentaugliche Kommunikationsform verstanden,
deren technische Bedingungen nicht zwangsläufig
die überwiegende Einseitigkeit des Sende- und
Empfangsverhaltens bedeutete. So begrüßt auch
RADIOTESLA den Dialog, den Austausch der Rollen
und die Begegnung mit unterschiedlichsten
Produkten, Inhalten, Formen und fragt nach
ästhetischer Orientierung, Grenzbereichen und
wirklicher wie möglicher Entwicklung des Mediums
durch neue Formen des Sendens wie Radio im
Internet, podcasting, und wireless culture.
RADIOTESLA stellt sein Programm jeweils
mittwochabends um halb neun vor und kostet keinen
Eintritt. Alle Veranstaltungen eines Monats
widmen sich in der Regel einem Thema. Damit der
speziell interessierte Besucher sich auch ohne
detaillierte Programmkenntnis orientieren kann,
konzentriert sich jeder Abend auf eine Sparte: am
ersten Mittwoch im Monat wird ein Hörspiel oder
ein anderer fiktionaler Beitrag angeboten, der
folgende Termin ist mit dem Feature und allem
Nicht-Fiktionalen belegt und der dritte Mittwoch
wird von zweckfreien Spielformen und Gattungen
dominiert: Zeit für Ars Acustica und Radiokunst.
Jeden vierten Mittwoch werden unter dem Stichwort
"Grenzen" unkonventionelle, unzensierte und damit
im weitesten Sinn unabhängige Formen vorgestellt.
Für den Fall, dass es einen fünften Mittwoch im
Monat gibt, liefert ein Bonus Track einen
weiteren Beitrag zur Vertiefung des Monatsthemas.
RADIOTESLA
Ein Projekt des TESLA im Podewils´schen Palais, Berlin
Realisierung: Martina Groß, Andreas Hagelüken,
Séamus O'Donell, Moritz von Rappard und Johannes
Wilms.
Mit freundlicher Unterstützung von
Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur,
Deutsches Rundfunkarchiv,
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.
Begrenzte Platzkapazität.
Telefonische Anmeldung: 030. 247 49. 777
TESLA im podewils´schen palais
Klosterstraße 68 - 70
10179 Berlin
Telefon: 030. 247 49.6
www.tesla-berlin.de
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