[rohrpost] tell.net // Andreas Broeckmann: Fuer eine neue Maschinen-Kunst

Sophia Nabokov sophia_nabokov at yahoo.de
Son Apr 9 15:58:32 CEST 2006


     
       
      Ich habe die transmediale nie als Ort der Kunst verstanden,  obwohl manchmal ja auch Kunst vorkam, sondern Medienkunst verstehe ich so wie  Töpferkunst oder Kochkunst, die ja auch als Kunst vorkommen kann, aber nicht  unbedingt muss. Die Förderungen der transmediale, die ja dem fast amourösen  Verhältnis zwischen Herrn Dr. Broeckmann und Frau Dr. Weiß zu verdanken ist,  ist doch, wie betont wurde, keine Subvention, sondern eine Investition in die  Zukunft: Die Transmediale soll so eine Art Spielplatz für das Ausprobieren von  neuer Technik sein, eine Art Vorarbeit für die Industrie. Dass man sich ein  wenig mit hochpolitischem Gestus ziert, bevor man sich dem großen Penis der  Industrie (dann aber mit Genuss) hingibt, ist eine gute Strategie und liegt  sozusagen ganz in christlicher Tradition. 
       
      Dementsprechend sehe ich auch Herrn Dr. Broeckmanns Kariere  eher in einem Privat- oder Staatsunternehmen (etwa als Kultursprecher der FDP)  oder als Berater für Kunst am Bau für die russisch-europäische Gaspipeline.  Oder heiratet er nun am Ende doch Frau Dr. Weiß?
       
      liebe grüße, 
      -Sophia
       
      Gespräch mit der „Smile Machine“                                                   (so soll Herr Dr. Broeckmann unter Freunde  genannt werden): http://www.arte-tv.com/de/kunst-musik/1111428.html:  (Das Interview endet leider mit der Sorge: „Was  passiert mit einem 'Kurator für neue Medien', wenn es auf einmal keine  'Medienkunst' mehr gibt?“)

Andreas Broeckmann <abroeck at transmediale.de> schrieb:  >At 00:51 01.04.2006, you wrote:
>>-----------------------------------------------------------
>>tell.net - Veranstaltungsreihe zur Netzkultur
>>http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei/tell_net/
>>-----------------------------------------------------------
>>
>>Andreas Broeckmann
>>Fuer eine neue Maschinen-Kunst. Ein Versuch
>>
>>Mittwoch, 05. April 06
>>19h30 im Moerike-Kabinett
>>
>>Stadtbuecherei Stuttgart
>>Wilhelmspalais
>>Konrad-Adenauerstr. 2
>>
>>
>>Der Einsatz elektronischer Medien und digitaler Technologien ist im
>>Laufe des letzten Jahrzehnts für weite Teile der Gegenwartskunst
>>selbstverständlich geworden. Video-Installationen sind aus den
>>Biennalen und Kunstgalerien heute ebenso wenig weg zu denken wie
>>interaktive Medieninstallationen aus dem öffentlichen Raum.
>
>Habe ich da in den letzten anderthalb Jahren, in denen ich nicht in
>Deutschland war, was verpasst? Als ich das letzte Mal geguckt habe,
>gab es eine klare Trennung zwischen "Medienkunst" und der richtigen,
>echten Kunstmarkt-Kunst. Und meiner Beobachtung nach auf beiden
>Seiten auch wenig Wunsch, das zu ändern.

Tilman, ich weiss nicht, ob du was verpasst hast; ich glaube, dass
das eine frage der wahrnehmung ist, ob man bestimmte einzelphaenomene
verketten will, oder nicht. ich tendiere inzwischen dazu, diese
sachen nicht mehr als isolierte einzelmomente zu sehen, sondern als
zusammenhaengende bewegung.

hier mal eine nicht recherchierte reihe von sachen, die mir spontan
einfallen. ueber die kuenstlerische qualitaet mag man sich im
einzelnen streiten, aber ich gehe mal davon aus, dass es sich um
kuenstlerInnen handelt, die du als 'medienkuenstlerInnen' bezeichnen
wuerdest.

In 5 deutschen Museen (Muenchen, Duesseldorf, Bremen, Leipzig laeuft
gerade die Ausstellung '40 Jahre Medienkunst'.

Im Musee de l'Art Moderne in Paris sind 50 Tapes von Douglas Gordon
als Teil der staendigen Sammlung zu sehen.

Bitforms in New York und DAM in Berlin sind nur zwei der Galerien,
die staendig aktuelle und historische Computergrafik zeigen und
verkaufen.

In Berlin waren im Winter auf der SPOTS-Fassade am Potsdamer Platz
u.a. Arbeiten von Jim Campbell und interaktive Arbeiten von Rafael
Lozano-Hemmer und Carsten Nicolai zu sehen.

Die interaktive Installation 'Taken' von David Rokeby war u.a. in
Toronto und in Berlin an oeffentlichen Orten zu sehen.

Carsten Nicolai hatte 2005 eine Einzelausstellung in der Schirn in Frankfurt.

Lozano-Hemmer hat schon vor zwei Jahren auf der Art Basel interaktive
Arbeiten nicht nur gezeigt, sondern auch verkauft. Er hat einige der
groessten und spektakulaersten interaktiven Installationen im
oeffentlichen Raum realisieren koennen.

Die Ausstellungsreihe 'Aufloesung' der Berliner NGBK macht keinen
strengen Unterschied zwischen 'Medienkunst' und 'anderer Kunst'. Das
gleiche gilt mE fuer die Ausstellungsprogramme von Hartware in
Dortmund oder vom Edith Russ Haus in Oldenburg, obwohl beide dem
Namen nach 'Medienkunst'-Haeuser sind. Die Kuratorin Soeke Dinkla
platziert seit ueber zehn Jahren 'Medienkunst' in vielbeachteten
Ausstellungen in Duisburg und Umgebung.

Antoni Muntadas gewinnt 2006 den spanischen Nationalpreis, die
hoechste nationale Auszeichnung fuer bildende Kuenstler.

Der 'Maschinenkuenstler' Herwig Weiser hat eine Galerie in Wien, die
seine neue Arbeit u.a. zur Art Basel Miami und zur ARCO gebracht hat.

Auf der letzten ARCO waren ganze Ausstellungen von Weibel (Postmedia
Condition, mit vielen oesterreichischen 'MedienkunstlerInnen') und
von der ars electronica zu sehen.


>Ich verstehe nicht, wem solche hoch gehängten und leicht zu
>widerlegenden Behauptungen helfen sollen. Der "Medienkunst"?

Und ich kann nur darueber spekulieren, wem es nuetzt, diese
kuenstliche Mauer aufrecht zu erhalten zwischen dem haesslichen
Entlein 'Medienkunst' und einer 'Galerie-Kunst', die extrem hybrid
ist.

KuenstlerInnen wie Pipilotti Rist, Pierre Huyghe, Philippe Parreno,
Olafur Eliasson, Jenny Holzer, Katharina Sieverding u.a. sind
vielleicht nur deshalb keine 'Medienkuenstler', weil sie auf dem
Kunstmarkt (der ja auch ein weites Feld ist, von Sammlern, Galerien,
Museen, Messen, Biennalen etc. ...) erfolgreich sind? Und warum
sollte der kuenstlerische Anspruch, der an ihre Arbeiten gestellt
wird, nicht ebenso auf 'medienkuenstlerische' Arbeiten angewendet
werden?

Ich versuche, wie Andreas Lange das schon angedeutet hat, darueber
nachzudenken, was waere, wenn es diese von Tilman noch einmal betonte
Grenze des 'Digitalen' als kuenstlerisches (kunsthistorisches?)
Kriterium nicht gaebe. Was waere, wenn das, womit wir da zu tun
haben, einfach alles 'Kunst' waere? Selbstverstaendlich bleibt da
eine grosse Zurueckhaltung von GaleristInnen gegenueber
KuenstlerInnen, die mit digitalen Apparaten arbeiten, aber seit diese
Galeristen alle ihre zweite Generation Video-Beamer gekauft haben,
und seit Netz- und Software-Konfigurationen einen weitgehend stabilen
Lauf der Rechner ermoeglichen, ist es wohl vor allem die
(berechtigte?) Zurueckhaltung der KaeuferInnen und SammlerInnen, die
diese Entwicklung bremst. Aber auch da zeigt fuer mich der Erfolg der
Eliassons, der Huyghes und der Violas, dass es moeglich ist, auch
ephemere Arbeiten erfolgreich zu platzieren. Und was dann bleiben
wuerde, waere die Notwendigkeit, einen kunstwissenschaftlichen
Diskurs aus zu spinnen, der es moeglich macht, in diesem ganzen Feld
nachvollziehbare Qualitaetskriterien fuer kuenstlerisches Arbeiten zu
entwickeln, die sich bewusst (auch) auf eine von digitalen
Technologien gepraegte Gegenwartskultur beziehen.

Cybernated art is very important, but art for cybernated life is more
important, and the latter need not be cybernated. (Nam June Paik,
1966)

Gruss,
-ab

--
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