[rohrpost] kulturfördersystem wien - netzkulturen

wechselstrom christoph at wechsel-strom.net
Sam Mai 6 17:33:31 CEST 2006


na ja, das mit dem klassenwahlrecht des 19.jahrhunderts, nebst den 
daraus abgeleiteten schlussfolgerungen ist natürlich quatsch.
solche äpfel-birnen vergleiche kommen auch hier in wien immer wieder ins 
gespräch ...

es ging allein darum ( habe ich schon geschrieben) ob jemand im 
netzkulturbereich tätig ist oder nicht.
in jeder demokratie gibt es einschränkungen der wahzulassung, die jedoch 
immer auf einer tatsachenfeststellung beruhen sollten; z.b. wählen kann 
jeder, der das 18. lebensjahr vollendet hat.
im netzkulturbereich ist eine tatsachenfeststellung nur teilweise, um 
nicht zu sagen schwammig möglich und es wird immer einen prozenzsatz an 
wertung dabei sein; aber zumindest eine annäherung an eine solche 
tatsachenfeststellung kann man versuchen zu erreichen. ganz klar eben 
nur eine annäherung und ganz klar: deshalb auch nur eine notlösung

der grund, warum das so gehandhabt wurde war schlichtweg die tatsache, 
dass es keine vorgaben sonstiger art geben sollte - im gegenteil; jede/r 
sollte netzkultur bzw netzkunst so betreiben und entwickeln können, wie 
er/sie es wollte.
jede/r sollte so urteilen können, wie er/sie es für richtig hielt - 
sozusagen gewissensfreiheit
für bewerberinnen aus der film-branche gibts einen eigenen fördertopf 
ebenso wie für bewerberinnen der freien theater etc.
(bevor jetzt jemand aufschreit: kar, hier gibts in überschneidungen, 
hybridkonzepten etc. besonders spannende projekte; bei den 
teilnehmerinnen der mana community game wahl war z.b. auch der betreiber 
eines online- journals dabei)

um das nicht ins uferlose abgleiten zu lassen hänge ich einfach mal die 
spielregeln, wie ich sie entwickelt habe,  in ihrer ursprungsfassung an.
es gibt dazu noch eine faq-list unter:
http://www.unet.univie.ac.at/~a9306158/MANA/MANA_GAME_FAQ_V3.pdf
durchgeführt wurde die wahl dann diesmal in einer vereinfachten form 
(mit papier und bleistift).
nachzulesen auf
http://media.dadaserver.com/manila/gems/mana/manainanutshell.pdf

christoph

 - wechselstrom -



p.s.: das mit dem validierungsgremium war natürlich auch bei uns sehr 
umstritten.
ich selbst bin hin und hergeschwankt - habe dann dafürgestimmt, jedoch 
unter der bedingung, dass selbst leute zugelassen werden, die 
beispielsweise so argumentieren:
"ich bin lastwagenfahrer und bewege mich mit meinem truck durch das 
europäische strassen-netz (!), hin und her und kreuz und quer; deshalb 
bin ich netzkulturaktivist."
wäre ich im validierungsgremium gesessen, dann wäre ich vielleicht mit 
meiner ansicht in der minderheit gewesen.
so viel mir bekannt ist, hat das validierungsgremium von allen, die sich 
gemeldet haben 4 oder 5 personen nicht zugelassen.
der schlussbericht dazu ist noch ausständig.



  MANA Community Game

 


    Spielregeln

 

 

 

a.     Jede/r, der/die sich der Netz-Community* zugehörig fühlt kann 
mitmachen. Durch das Einloggen erklärt er/sie seine/ihre Bereitschaft, 
einen Beitrag zur Netzkultur zu leisten und ist somit sowohl 
entscheidungs- als auch empfangsberechtigtes Mitglied der Netzkultur 
Wiens und des damit verbundenen Förderbereichs Network Grants.

 

b.     Es gibt über das Jahr verteilt 2 Spielzyklen  (April und 
September/Oktober) zu jeweils 3 Spielen, wobei jeder Zyklus 1 Monat dauert.

 

c.      Jedes Spiel dauert 5 Tage (Montag bis Freitag). Die jeweils 3 
Spiele werden in unmittelbarer Folge durchgeführt. Am Ende des 3. Spiels 
gibt es noch eine Woche zur Kooperationsfindung.

(siehe auch weiter unten, Regel n.)

 

d.     Entsprechend der Menge der zu verteilenden Fördermittel wird 
unter allen TeilnehmerInnen eine Anzahl von Punkten verteilt, in der 
Mengenverteilung nach der Gauß´schen Glockenkurve und in der Zuordnung 
nach dem Zufallsprinzip.

 

e.     Jede/r einzelne TeilnehmerIn kennt nur die Menge der Punkte, die 
ihm/ihr selbst zugewürfelt wurden und die Gesamtzahl der Punkte, die zur 
Verteilung gekommen sind.

 

f.       In einem zweistufigen Prozess wird zunächst das Ungleichgewicht 
der Punkte ausgeglichen (am Ende dieses Umverteilungsprozesses haben 
alle die gleiche Punkteanzahl) und danach (zweite Stufe) verfallen alle 
Punkte in gleichmäßigen Schritten und wandern zurück in den gemeinsamen 
Topf. Die erste Stufe (Umverteilungsprozess) dauert 4 Tage, die zweite 
Stufe (Verfallsprozess) dauert 1 Tag. Die in den gemeinsamen Topf 
zurückgefallenen Punkte werden in der nächsten Spielrunde mitausgelost. 
(Methode des Umverteilungs- und Verfallsprozess: siehe 
Mana-Community-Game: FAQ-Liste)

 

g.     Ziel des Mana Community Games ist es diesen softwaregesteuerten 
Umverteilungs- und Verfallsprozess entgegenzuwirken. Dies kann nur 
dadurch geschehen, dass die Punkte, die einem/r TeilnehmerIn zugewürfelt 
wurden,  einem/r Anderen übertragen werden. Dieser Transferprozess führt 
dazu, dass die Punkte einen Marker bekommen und sie dann nicht mehr dem 
Umverteilungs- und Verfallsprozess unterliegen. Sie landen auf dem Konto 
des/r Empfängers/in und können am Ende des Spiels von diesem/r in 
Fördergeld eingetauscht werden.

 

h.     Transferprozesse sind für alle TeilnehmerInnen einsehbar; sowohl 
der Kontostand (Anzahl der markierten Punkte, die jemand hat) als auch 
die Quelle (= PunktegeberIn).

 

i.        Die Anzahl der Transferprozesse ist auf 5 Transfers pro 15 
Minuten begrenzt. Die Anzahl bzw. Stückelung der transferierten Punkte 
ist im Rahmen einer ganzzahligen Menge frei.

 

j.       Bei einem Transferprozess können sowohl unmarkierte als auch 
markierte Punkte überwiesen werden.

 

k.     Es ist möglich, dass sich TeilnehmerInnen im gegenseitigen 
vereinbarten Tausch (oder auch nach dem Ringtauschprinzip) Punkte 
gutschreiben, um diese zu markierten EigentümerInnen-Punkten zu machen. 
Auch solche Transferprozesse sind von allen MitspielernInnen einsehbar.

 

l.        Die Gründe für die Vergabe von Punkten unterliegen keiner 
vorher festgesetzten Regel und sind auch nicht begründungspflichtig; die 
MitspielerInnen sind in ihren Entscheidungen allein ihrem Gewissen 
verpflichtet.

 

m.  Außerhalb des oben  beschriebenen automatisierten Umverteilungs- und 
Verfallsprozesses kann kein/e TeilnehmerIn einem/r Anderen Punkte 
wegnehmen, auch nicht durch ein Voting oder die Behauptung von  
"Verfehlungen" welcher Art auch immer; es kann auch aus keinem wie immer 
gearteten Grund ein/e Teilnehmer während des Spiels von diesem 
ausgeschlossen werden.**

 

n.     Ein Spielzyklus (3 Spiele) ist nach 3 Wochen zu Ende. Es folgt 
eine 4. Woche; in dieser haben alle MitspielerInnen Zeit, Punkte von 
Konto zu Konto zu transferieren und damit Kooperationen einzugehen. 
Diese Kooperationen sind auf Grund privater Vereinbarungen zu regeln. 
Der Empfänger solcher Punkte übernimmt hier in etwa die Rolle eines 
Projektleiters.

 

o.     Nach dieser Woche werden nach einem Rechnungsschlüssel (siehe 
Mana-Community-Game: FAQ-Liste) die markierten Punkte so umverteilt, 
dass im  Endergebnis  nur noch TeilnehmerInnen übrig bleiben, die 
zwischen 7.000 und 28.000 Punkte haben. Das sind die berechtigten 
FördernehmerInnen. Diese reichen bei der MA 7 Wien ihr Projekt ein. Die 
MA 7 ist verpflichtet, die durch das Mana-Community-Game zugesprochene 
Fördersumme auszuzahlen. Der/die FördernehmerIn muss damit sein/ihr 
Projekt realisieren.

 

p.     Ein Projekt ist definiert als eine Unternehmung bzw. eine 
Handlung, bei der Geldflüsse getätigt bzw. verursacht werden. Das 
Projekt muss innerhalb des Begriffs NETZKULTUR(EN) verankert sein. Die 
Projektrealisation muss innerhalb eines Jahres durchgeführt und 
abgeschlossen sein.

 

q.     Das Projekt, das realisiert wird, muss öffentlich zugänglich 
(hierzu zählt insbesondere auch die virtuelle Öffentlichkeit via 
Internet-Technologien) sein; es muss eine Abrechnung und ein 
Projektbericht vorgelegt werden. Alle MitspielerInnen sowie die 
VertreterInnen der Geldgeber (MA 7 Wien) sind zur Präsentation einzuladen.

 

r.       Die einzige Person, die über allem steht, ist der Schiedsrichter,
eine Vertrauensperson, die mit niemandem über den Verlauf des Spiels
kommunizieren darf und die nur den korrekten Ablauf Spiels und die 
Einhaltung der Spielregeln überwacht bzw. schützt.

 

s.      Schlussbemerkung:

_Frauen sind besonders aufgefordert und ausdrücklich eingeladen, daran 
teilzunehmen._

 

* Eine Community soll definiert sein als temporär geschlossene Menge von 
Personen, die sich mindestens einer Idee zugehörig fühlen.

Die Community der NetzkünstlerInnen ist somit die Gesamtmenge der 
Personen, die von sich behaupten Netzkunst zu betreiben; dabei ist es 
unerheblich, was jede/r einzelne unter Netzkunst versteht, wichtig ist 
nur, dass jede/r eine Vorstellung davon entwickelt, was Netzkunst ist. 
Es genügt also die Definition "fühle mich zugehörig", um Mitglied 
innerhalb einer Community zu sein. Temporär geschlossene Menge bedeutet, 
dass eine Community zwar wachsen, schrumpfen oder in der Anzahl der 
Personen stagnieren kann (Personen kommen dazu, Andere verlassen das 
Feld) , im Entscheidungsfall jedoch für einen definierten Zeitraum 
geschlossen sein muss. Dieser Entscheidungsfall tritt immer dann ein, 
wenn es um die Verteilung von Ressourcen geht.

 

 

** Personen, die sich mehrmals einloggen (Mehrfachpersonen) verlieren 
ihren direkten Link zur Realperson; deshalb werden Mehrfachpersonen 
komplett gelöscht. Wird das mehrfache Einloggen vor der Einlog-Deadline 
bekannt, hat der/die BewerberIn die Chance, sich erneut zu registrieren 
und freischalten zu lassen. Wird das mehrfache Einloggen nach 
Einlog-Deadline bekannt, muss der/die BewerberIn bis zum nächsten 
Einlog-Termin (halbes Jahr) warten. Wird das mehrfache Einloggen während 
oder nach dem Spiel bekannt, werden alle seine/ihre Transfers entfernt. 
Die Punkte, die ihm/ihr zugewürfelt wurden fallen in den gemeinsamen 
Topf zurück, die Punkte auf seinem/ihrem Konto werden auf alle Anderen 
zu gleichen Anteilen verteilt, und er/sie darf sich erst wieder nach 
einem Jahr einloggen (muss also für einen Spielzyklus aussetzen). Die 
prüfende  Instanz ist der/die amtierende KoordinatorIn.





Andreas Broeckmann schrieb:

> na, nach den durchweg kontroversen diskussionen, was denn 'netzkultur' 
> ueberhaupt sein, geschweige denn 'der netzkulturbereich', kommt mir 
> dieses verfahren doch irgendwie so vor, als waere das die neubelebung 
> des klassenwahlrechts des 19. jhs. (ist jedenfalls ein interessantes 
> modell fuer konservative politiker, die vielleicht zugewanderten erst 
> nach eingehender validierungspruefung das wahlrecht zugestehen 
> koennten. und die migrationsgemeinschaft dann vielleicht auch noch 
> dazu einladen, die restriktionen gegen, sagen wir, asylbewerber selber 
> zu beschliessen. 'demokratisch', versteht sich.)
>
> die vorstellung, dass nur 120 leute in wien sich fuer eine solche wahl 
> qualifizieren ('sich validieren lassen') koennen, erscheint mir sehr 
> verwunderlich - da waere es doch interessant, wie man 'netzkultur' 
> definieren muss, damit man bei all den interdisziplinaeren 
> (online-)kreativlingen in einer mehr-millionenstadt auf so eine kleine 
> zahl kommt. aber wenn das gelungen ist, dann sind 95% wahlbeteiligung 
> wahrscheinlich auch keine kunst mehr.
>
> gruss,
> -a
>
>
>> die netzkultur-szene in wien ist verglichen mit berlin sehr klein.
>> die bekanntgabe, dass es das neue kulturfördermodell geben wird, dass 
>> netzkultur-fördergeld dafür bereitgestellt wird, und wie das 
>> auswahlverfahren in den grunzügen funktioniert, war im dez. 05 (u.a. 
>> auf der offiziellen page der stadtverwaltung wien)
>> insgesamt waren 120 wahlberechtigte; die auswahl, wer wahlberechtigt 
>> ist fand durch ein validationsgremium statt (armin medosch, franz 
>> xaver und andrea mayr)
>> es sollte dadurch verhindert werden, dass sich "jeder dahergelaufene 
>> klavierlehrer beteiligen kann" (originalzitat franz xaver), 
>> vielleicht noch seine schüler einschleust (fanclub im bandbus 
>> mitschleppt) und dann mit einem haufen kohle urlaub macht.
>> das mit dem validationsgremium halte ich für eine notlösung; einziges 
>> kriterium war jedoch, dass jemand im netzkulturbereich tätig ist, und 
>> der/die bewerberin musste das mit einem 500 zeichen-abstract darlegen 
>> (nebst hinweisen auf minestens ein bereits durchgeführtes projekt).
>> es wurde nicht validiert, wie gut oder schlecht diese projekte sind, 
>> sondern nur, ob es sich um ein netzkulturprojekt handelt oder nicht!
>> niemand musste ein zukünftiges projektvorhaben vorstellen (manche 
>> haben das getan). es gab sozusagen stipendien zu verteilen, die zu 
>> projekten führen werden, die dann aber nach abschluss veröffentlicht 
>> werden müssen. so kann in den nächsten wahldurchgängen (in diesem 
>> jahr ist noch einer im herbst) das in die beurteilung mit einfliessen 
>> und die wählerinnen mögen sich dann ein genaueres bild machen, wem 
>> sie ihre stimmen geben.
>>
>> beste grüße
>> christoph
>>
>> - wechselstrom -
>>
>>
>>
>>
>> Andreas Broeckmann schrieb:
>>
>>> das sind 95% von was?
>>>
>>> -ab
>>>
>>>> beim mana community game, einem partizipatorischen, demokratischen 
>>>> entscheidungsmodell zur verteilung der fördergelder lag die 
>>>> wahlbeteiligung bei 95%; ein wert, der sich sehen lassen kann und 
>>>> von dem demokratien (ohne wahlpflicht) nichteinmal zu träumen wagen.
>>>
>