[rohrpost] Re: Interview mit Humberto Maturana
Till Nikolaus von Heiseler
till.n.v.heiseler at googlemail.com
Fre Feb 8 14:40:26 CET 2008
Hier noch eine kleine Ergänzung zu Maturana, der vollständige Vortrag.
From: karel dudesek [mailto:karel at dudesek.com]
To: Mike Hentz [mailto:metronam at gmx.net], Salvatore Vanasco
[mailto:salvatore.vanasco at xailabs.de], Benjamin Heidersberger
[mailto:benjamin at ponton-lab.de]
Sent: Fri, 08 Feb 2008 12:50:19 +0100
Subject: video of maturanas lecture online
http://www.mazine.ws/node/580
Karel
Am 04.02.08 schrieb Till Nikolaus von Heiseler
<till.n.v.heiseler at googlemail.com>:
> Vor zwei Tagen war ich auf der Transmediale und habe eine Vortrag von
> Humberto Maturana gehört. Ehrlich gesagt bin ich vor allem deshalb
> hingegangn, um ihm eine Frage zu stellen. Da es dazu nicht kam, bin
> ich dann irgendwann einfach auf die Bühne gegangen und habe ein
> kleines Gespräch geführt. Das Gespräch soll eine Fussnote zum Nachwort
> meines Buches „Medientheater" werden, das Ende März im Kulturverlag
> Kadmos erscheinen wird. Über Kommentare freue ich mich.
>
>
> [Gespräch 1.Feb.08, Transmediale/Haus der Kulturen der Welt]
>
> HEISELER: We are here in Germany and there was a famous german
> sociologist. His name is Niklas Luhmann. He refers to different
> theories: Fritz Heider, Georg Spencer Brown, Talcott Parsons and to
> you and Verela, in your case by using the term Autopoiesis. What do
> you think of Niklas Luhmann's Systemtheory?
>
> MATURANA: I had a disagreement with him.
>
> HEISELER: May I tape you?
>
> MATURANA: Yes, yes, yes. I was in Bielefeld, I think 1990, 91,
> something like that. A couple of years before he died. And we talked
> much. And I thank him because he made me famous. But my discordance
> with him was, was that he left out human beings.
>
> HEISELER: That is the whole idea.
>
> MATURANA: I know, I know, but I thought this would be inadequate. I
> asked him why, why did you do that? He said he wanted to do that,
> because he wanted a predictable theory. If you introduce human beings
> you introduce into certainty a certain uncertainty... My answer to
> that is: That we have two ways of dealing with that. One is to
> eliminate the human being. The other is to make a theory which
> includes human beings. But later I realized that one thing that he
> wanted was to deal with closed systems. And he thought, I think, that
> Autopoiesis allowed him to deal with closed systems.
>
> HEISELER: In a way …
>
> MATURANA: In a way.
>
> HEISELER: A nervous system is a closed system.
>
> MATURANA: Yes.
>
> HEISELER. It is closed on the operative level to be open on the
> cognitive level as you made it clear in your books.
>
> MATURANA: Yes. But he wanted to do that. I think, in order to do that
> with communication he needed Autopoiesis, but he needed to leave out
> the human beings. You can't have a closed system with human beings, if
> it includes the dynamic of the participation of human beings and the
> realization of communication. What you cannot predict is the flow of
> communication, but you can predict the nature of the closed system.
> This you can have. This was our discrepancy, because we gave a seminar
> together in which we always were encountering this discrepancy.
>
> HEISELER: If you take the concept of Autopoiesis and transfer it to
> the field of social system, what is transferred? Is it just a metaphor
> or does this lead to hard science like the biological idea of
> Autopoiesis, if this would be called hard science?
>
> MATURANA: It is a metaphor, because it leads to believe in something
> what it is not. I remember that Heinz von Foerster when he first heard
> about Autopoiesis, he said: "Fantastic! - This solves the problem,
> because social systems are autopoietic systems." I said if social
> systems are autopoietic systems, I want to get out immediately.
> Because if that is so, then a social system is an embodiment of
> totality. And I don't want to be a part of an embodiment of totality.
>
> HEISELER: So you still believe in a subject, in a way. I ask this,
> because we have a lot of theories in the 20th Century, speech theory,
> discourse analysis, media theory which excludes in a way the human
> being.
>
> MATURANA: I don't think that they solved the question.
>
> HEISELER: Okay, that is what I wanted to know. Thank you.
>
> MATURANA: Thank you to you, too.
>
> Eben die Frage der Totalität der Systeme werden wir weiter unten im
> Bezug auf den Begriff des Autors diskutieren. Wir werden sehen, dass
> uns hier die Theorie der Evolution der sozialen Systeme weiterhelfen
> wird. Denn wenn die Evolution, wie Luhmann vorschlägt, zunächst einer
> Variation bedarf, dann steht genau diese Variation der Totalität des
> Systems, der Totalität der Selektion, entgegen. Totalität ist
> systemtheoretisch die Totalität der symbolisch generalisierten
> Kommunikationsmedien innerhalb der gesellschaftlichen
> Funktionssysteme, die sie erschaffen und durch die sie erschaffen
> werden. Die Systemtheorie ist genaugenommen eine Selektionstheorie der
> Kommunikation. Über die autopoietisch geschaffenen Selektionskriterien
> (symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien) kann die
> Gesellschaft als Kommunikation beschrieben werden. Luhmann erklärt
> Gesellschaft also aus den Selektionskriterien der Kommunikation. Dass
> diese nun vorauseilend (von der Kommunikation {laut Luhmann} bzw. von
> den Kontrollierten {laut Deleuze}) erfüllt werden, ist die zeitgemäße
> Antwort auf die alte soziologische Frage: „Wie ist gesellschaftliche
> Ordnung möglich?"
> Luhmanns große und erhellende Setzung - die darin besteht, dass er der
> Kommunikation selbst Sinnverwendung unterstellt und das psychische
> System als Umwelt des Sozialen konstruiert, wodurch er zwangsläufig zu
> seiner berühmten paradoxen Tautologie: „Die Kommunikation
> kommuniziert" kommt - gerät in dem Moment logisch in Schwierigkeiten
> wenn damit Interaktion oder gesellschaftliche Entwicklungen erklärt
> werden sollen. (Deshalb schließt Luhmann hier mit zwei
> unterschiedlichen und nur bedingt mit der eigentlichen Systemtheorie
> kompatiblen Theorien an.) In Bezug auf Luhmanns gewagte, geniale
> Setzung stellt sich für uns nicht die Frage von wahr oder unwahr, denn
> jede Theorie abstrahiert (und es kommt in der Wissenschaft eben auf
> „die richtige" Reduktion an), sondern die Frage, was mit ihrer Hilfe
> sichtbar wird und was durch sie verdeckt wird. Wenn es so etwas wie
> soziologische Aufklärung gibt, dann besteht diese in der Aufklärung
> über die Selektionsmechanismen einer Gesellschaft. Der Ausstieg aus
> dem sozialen System indes würde den Ausstieg aus jeglicher
> Kommunikation bedeuten und selbst dann würde der Aussteiger die
> Sinnunterscheidungen der Gesellschaft, ihre Sprache und Differenzen
> teilweise zumindest weiter verwenden. Der wirkliche Ausstieg aus der
> Totalität des gesellschaftlichen Systems wäre gleichsam ein Ausstieg
> aus dem Medium Sinn. Damit würde dann allerdings auch eine Dimension
> des Menschen aufgegeben. Die menschliche Freiheit besteht deshalb
> nicht im Ausstieg aus Sinn und Gesellschaft, sondern in der Selektion
> und Beschränkung der angenommenen Kommunikation und damit in der Wahl
> einer besonderen Unfreiheit.
>
> glück zu allen!
> till
>
> --
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