[rohrpost] Riesenrundgemälde zur Schlacht am Bergisel - Stellungnahme des Ludwig Boltzmann Instituts Medien.Kunst.Forschung

Katja Kwastek kwastek at media.lbg.ac.at
Don Jan 24 10:01:43 CET 2008


Riesenrundgemälde zur Schlacht am Bergisel - Stellungnahme des Ludwig
Boltzmann Instituts Medien.Kunst.Forschung

 

Wie aus einem offenen Brief des International Panorama Council vom
13.01.2008 (siehe Anhang) hervorgeht, besteht die Gefahr einer Zerstörung
des denkmalgeschützten Innsbrucker Panoramas, bekannt als "Riesenrundgemälde
zur Schlacht am Bergisel". In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Ensemble
(neben Den Haag, Altötting und Braine-l'Alleud) eines von nur vier weltweit
noch existierenden historisch weitgehend ursprünglichen Panoramen ist, ist
die aktuelle Diskussion um einen Transfer der historischen Leinwand in ein
neu zu errichtendes Museum (an anderer Stelle) bei anschließender
anderweitiger Nutzung der historischen Panoramarotunde sowohl aus kunst- als
auch aus medienhistorischer Sicht höchst bedenklich.

Das Ludwig Boltzmann Institut Medien.Kunst.Forschung in Linz unterstützt die
Initiative des International Panorama Council zur Bewahrung des historischen
Ensembles ausdrücklich und möchte von seiner Seite noch einmal dessen
medienhistorische Relevanz herausstellen.

Als frühes visuelles Massenmedium stellen Panoramen einen unschätzbaren Wert
für die Mediengeschichte dar: Dass zur Ausstellung eines einzigen Bildes ein
ganzes Gebäude errichtet wurde, erscheint in Zeiten heutiger Bilderfluten
nahezu unvorstellbar. Dies gilt umso mehr, als sich auch der an Massenmedien
gewöhnte moderne Betrachter der Faszination der historischen Panoramen kaum
entziehen kann. 

Als solitäre Bilderbauten und kommerziell agierende Unternehmen sind die
Panoramen Vorläufer des Kinos. In ihrer subtilen illusionistischen
Inszenierung künstlicher Welten sind sie gleichzeitig Vorläufer aktueller
immersiver Technologien, wie sie heute im Unterhaltungssektor (Stichwort
IMAX-Kino), in künstlerischen Installationen sowie für  Forschung und
Entwicklung für virtuelle Simulationen genutzt werden. Virtuelle Welten
ziehen auch heute noch ein Massenpublikum an, sei es im Cave des Linzer Ars
Electronica Centers (der im Zuge des aktuellen Museumsneubaus zu einem
neuartigen 'VR-Theater' umgebaut wird), sei es in verschiedenen
Vergnügungsparks oder in Kunstausstellungen. Auch die 360°-Perspektive
selbst erfährt neue Entwicklungen, wie zur Zeit beispielsweise im Rahmen des
Panorama Festivals des Karlsruher Zentrums für Kunst- und Medientechnologie
zu besichtigen.  

 

Unsere Gesellschaft ist eine Mediengesellschaft, unser Umgang mit Medien
prägt unsere Identität und wird damit in zunehmendem Maße wichtiger
Bestandteil unserer Geschichte. Unser Mediengebrauch, die Funktion von
Medien zur Unterhaltung, Bildung, Propaganda, Erinnerung und Kommunikation,
stellen genauso wie die erstaunliche Dauerhaftigkeit des menschlichen Traums
von vollkommener illusionistischer Immersion ein wichtiges Zeugnis unserer
Medienkultur dar. 

Das Innsbrucker Panorama ist eines der raren Beispiele, anhand deren sich
Besucher die Tatsache, dass es eigene Gebäude zur Beherbergung der Panoramen
gab, dass Menschen anreisten und Eintritt zahlten für die Besichtigung eines
einzigen Bildes bzw. das Eintauchen in seine Bildwelt, eindrücklich vor
Augen führen können. Die authentische Erfahrung seiner historischen
Inszenierungsstrategie lässt sich in einem auch noch so gut gemeinten Neubau
nicht kompensieren – wird der Großteil der Besucher doch in Zeiten
postmoderner Erlebnisarchitektur jegliche Inszenierung intuitiv der
Phantasie des heutigen Architekten zuschreiben und kaum als mögliche
Referenz auf die historische Präsentationsweise verstehen. Diese Tatsache
entkräftet auch von medienhistorischer Seite die gern formulierte
Rechtfertigung, die Bilder seien ja immer für verschiedene Ausstellungen von
Ort zu Ort transportiert worden. Damals war das Panorama ein aktuelles
Medium mit einer eigens dafür geschaffenen, dem Publikum vertrauten
Ausstellungs- und Distributionsstruktur, heute jedoch ist es historisches
Zeugnis, dessen mediengeschichtlicher Kontext in einem zeitgenössischen
Gebäude weder vorhanden noch vermittelbar ist. 

Gleichzeitig wird eine historische Panoramarotunde ohne Rundgemälde auf ein
städtebauliches Dekorationselement reduziert und ihres kunst-, kultur- und
medienhistorischen Wertes zur Gänze beraubt. 

 

 

 

Dr. Katja Kwastek
Researcher

Ludwig Boltzmann Institute
Media.Art.Research.
Kollegiumgasse 2
A-4010 Linz

phone: +43.650.7898.486
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