[rohrpost] Call for Papers: Von der Klasse zum Cluster. Zum Verhältnis von Medien, Messungen und Sozialität

Jan-Hendrik Passoth jan at orderfromnoise.org
Don Jul 17 14:52:44 CEST 2008


Von der Klasse zum Cluster –
Zum Verhältnis von Medien, Messungen und Sozialität

Tagung des Arbeitsbereichs Mediensoziologie
der Fakultät für Soziologie an der Universität Bielefeld

30.1. – 31.1.2009

Einladung und Call for Papers

Das Internet hat sich zu einem komplexen Datenraum entwickelt, der
zunehmend von Computerprogrammen bevölkert wird, die Daten für ganz
unterschiedliche Zwecke auswerten. Es sind vor allem die neuen
Teilnehmerfreiheiten, also die vielfältigen Eingriffs- und
Mitwirkungsoptionen im sogenannten Web 2.0, die es sinnvoll erscheinen
lassen, das Netz pausenlos zu „monitoren". Computertechnische
Programme protokollieren inzwischen die Aktivitäten von Millionen von
Netzteilnehmern, werten diese aus und bereiten die Ergebnisse in
Gestalt von Rankings, Profilen und anderen numerischen
Repräsentationen auf.

Die Einführung, Etablierung und teilbereichsspezifische Nutzung von
spezifischen Kalkulationsverfahren, Zähltechniken und statistischen
Auswertungsformen war von jeher eine entscheidende Komponente der
Ausbildung moderner Gesellschaft gewesen. Zunächst waren es Formen der
Messung und Verrechnung von Bürgern, Konsumenten oder Zuschauern, die
unter der Bedingung massenmedialer Informations- und
Redundanzverarbeitung besondere Zentralität erlangt haben: nämlich
Häufigkeiten, Durchschnitte, Abweichungsmaße – Verteilungsmaße also,
die auf massenhafte Vollerfassung bei weitgehend akzeptierten
Informationsverlusten abzielen. Es ging darum zu erfahren, was die
Mehrheit der Bürger meint, was möglichst viele Konsumenten kaufen und
was möglichst viele Zuschauer sehen wollen. Unter Internetbedingungen
sind es nicht mehr nur Top-Listen, Durchschnittsnutzungen und
Häufigkeitsmaße, die beständig berechnet werden, sondern auch in
Echtzeit aktualisierte Ähnlichkeitsmaße zwischen unterschiedlichsten
Merkmalen, die wiederum zu komplexen Clusterungen und Profilbildungen
führen.

Die Tagung soll dazu beitragen, den quantitativen wie qualitativen
Wandel der Vermessung und Klassifizierung der Mediennutzer zu
erfassen. Dazu wollen wir Vertreter verschiedener Disziplinen, die
sich mit der hier skizzierten Thematik bereits befassen, zu einem
Ideenaustausch einladen.

Folgende Fragestellungen sollen aufgegriffen und diskutiert werden:

- In welchem Verhältnis stehen Internetnutzer zu den statistischen
Auswertungen ihrer Aktivitäten? Welche Relevanz haben für sie die
Rankings, Listen und anderen Vergleichssysteme der von ihnen besuchten
Plattformen im Netz? Welche Orientierungspotentiale werden durch
solche numerischen Ordnungssysteme erschlossen und wie stehen diese zu
anderen (realweltlichen) populärkulturellen Orientierungssystemen?

- In welches Verhältnis werden die Teilnehmer untereinander gebracht?
Lassen sich kollektive Effekte aufgrund der Klassifizierung und
Vermessung von Teilnehmeraktivitäten feststellen? Welche Auswirkungen
hat es auf die Bildung von ähnlichen Präferenzen und Zugehörigkeiten
etwa, wenn aufgrund von statistischen Auswertungen Angebote für
Teilnehmer mit ähnlichen Profilen gefiltert werden?

- In welchem Verhältnis stehen „Dritte" zu den hier skizzierten
Klassifizierungen und Taxonomien? Für wen bieten sich welche
Einsichten in die Verteilungen und Dynamiken von
Aufmerksamkeitsverteilungen, Kaufverhalten etc. im Internet? Eröffnen
sich möglicherweise für gesellschaftliche Funktionsbereiche neue
Inklusions- und Exklusionsformen?

- Welche soziologischen Begriffe und Theorien bieten sich an, diese
und angrenzende Fragestellungen konsistent zu formulieren und zu
untersuchen? Welche methodologi-
schen Konsequenzen lassen sich daraus ziehen? In welche übergeordneten
gesellschaftlichen Zusammenhänge und Trends lassen sich die hier
angesprochenen Entwicklungen einordnen?

Zu diesen und angrenzenden Fragen sind Vortragsvorschläge im Umfang
von ein bis zwei
Seiten (max. 3000 Zeichen) erwünscht. Sie sollen bis spätestens

15. Oktober 2008

per eMail eingereicht werden bei

Dr. Jan-Hendrik Passoth
jan.passoth at uni.bielefeld.de

0521 - 106 4653
Universität Bielefeld
Fakultät für Soziologie
Postfach 100131
33501 Bielefeld

und

PD Dr. Josef Wehner
josef.wehner at iais.fraunhofer.de
0521 - 106 4221
02241 - 14 2559
Universität Bielefeld und
Fraunhofer Institut Intelligente
Analyse- und Informations-
systeme (IAIS)
Schloss Birlinghoven
53754 Sankt Augustin



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