[rohrpost] Und es gibt sie doch

Inke Arns inke.arns at hmkv.de
Don Mar 13 09:58:27 CET 2008


Hier noch ein - zugegebenermassen recht spaeter - 
Beitrag zur Diskussion um die Medienkunst ;-) 
Danke an alle fuer die Anregungen!

Viele Gruesse, Inke



* * *

-- erscheint Anfang April 2008 in: "Hartware 
MedienKunstVerein 1996 - 2008", hg. v. HMKV 
(Susanne Ackers, Inke Arns, Hans D. Christ, Iris 
Dressler), Druckverlag Kettler, Boenen 2008 --


Inke Arns

Und es gibt sie doch
Ueber die Zeitgenossenschaft der medialen Kuenste

Wer Medienkunst heute noch mit spektakulaeren 
Virtual Reality Installationen gleichsetzt, wie 
dies 2007 zuletzt die Berliner Ausstellung Vom 
Funken zum Pixel oder Anfang 2008 der Polemiker 
Stefan Heidenreich in der Frankfurter Allgemeinen 
Sonntagszeitung (1) getan haben, hat entweder 
nicht genau hingesehen und die Diskussionen der 
letzten Jahre  nicht verfolgt oder ist unwillens, 
den Paradigmenwechsel wahrzunehmen, der sich im 
letzten Jahrzehnt vollzogen hat. (2) Man moechte 
weder dem Kurator des Einen noch dem Autor des 
Anderen das Eine oder das Andere unterstellen.

In der Tat, die interaktive, immersive und 
technisch aufwaendige Medienkunst der 1990er 
Jahre, die spitzzuengige Polemiker gerne als 
“ZKM"-Kunst bezeichneten und der teils zu Recht 
vorgeworfen wurde, dass sie die Medienkunst zu 
reiner Interface-Entwicklung degradiere, gibt es 
heute in dieser Form nicht mehr - und das ist 
auch gut so. Allerdings war diese Form von 
Medienkunst auch nie metonymisch gleichzusetzen 
mit “der" Medienkunst. Hierbei handelte es sich 
vielmehr um einen rhetorischen Kniff der 
Kritiker, der dazu diente, das gesamte Feld 
medienkuenstlerischer Praktiken pauschal zu 
diskreditieren. So sicherte man die eigene 
Diskurshoheit und konnte auf recht durchschaubare 
Weise - naemlich durch simples Verschweigen - 
einer Auseinandersetzung mit den wirklich 
spannenden Formen von Medienkunst aus dem Weg 
gehen. Oder war es intellektuelle Faulheit? Man 
weiss es nicht so genau. Aergerlich bleibt es auf 
jeden Fall - und ein Armutszeugnis fuer die 
zeitgenoessische Kunstkritik in Deutschland, die 
es bis heute nur selten geschafft hat, 
ernstzunehmende Positionen zur Medienkunst 
jenseits der Polemik zu entwickeln.

Dass es dabei gerade die anderen Formen von 
Medienkunst waren, die parallel zur 
technoutopischen und -affirmativen interaktiven 
Medienkunst der 1990er Jahre die wirklich 
interessanten Projekte und Formate hervorgebracht 
haben, wurde so uebersehen. Dabei sind es vor 
allem die fruehen Formen der Netzkunst ab 
1993/1994, die so genannte Softwarekunst ab 
Anfang dieses Jahrzehnts sowie neue Arten und 
Formate medialer Performances und des 
postdramatischen Theaters, auf denen die 
gegenwaertigen spannenden Entwicklungen in diesem 
Bereich beruhen.

Medienkunst umfasst heute ein weites Feld von 
Techniken, Strategien und Praxen, bei denen die 
technischen Medien selbst oft in den Hintergrund 
treten. (Neue) Medien und Technologien sind 
heutzutage alltaeglich und ubiquitaer geworden. 
Sie sind zunehmend in alle Lebensbereiche 
eingedrungen und sitzen heute bereits an den 
unscheinbarsten Stellen - man denke nur an 
Bankautomaten, RFID-Chips auf Krankenkassenkarten 
und in Reisepaessen, oder an Verwaltungssoftware 
und Datenbanken, die fuer die ’Kunden' unsichtbar 
bleiben, aber die Arbeit des jeweiligen 
Sachbearbeiters entsprechend vorstrukturieren. 
Analog zu dieser ubiquitaeren Ausbreitung und 
Praesenz hat sich auch die Medienkunst erweitert. 
Sie schaut an alle diese alltaeglichen, oft 
uebersehenen und doch so wichtigen - weil medial 
und technologisch erweiterten - Stellen und 
fokussiert unsere Aufmerksamkeit darauf. Eine 
solche Medienkunst tut dies nicht auf 
spektakulaere Weise und ist selbst oft auch gar 
nicht zwingend digital, denn es sind nicht die 
(Medien-)Technologien an sich, die im Vordergrund 
stehen, sondern ihre Wirkungsweisen auf unser 
Verhalten. Diese Art von erweiterter, manchmal 
fast beilaeufiger Medienkunst verzichtet mitunter 
gar auf den Einsatz technischer Medien und 
behaelt sich stattdessen fuer die Bewusstmachung 
der Rolle von Medien in unserem Alltag (und 
gegebenenfalls die Formulierung von Alternativen) 
die freie Wahl der Mittel vor. Die Medienkunst 
beginnt so, sich vom Zwang der Verwendung neuer 
Medien und neuer Technologien zu emanzipieren. 
Die Kunst unter postmedialen Bedingungen (3) 
loest sich von der Beschaeftigung mit ihrer 
eigenen Materialitaet und wendet sich den 
vielfaeltigen Formen von gegenwaertiger, 
ubiquitaerer Medialitaet zu.

Der spanische Kuenstler Daniel Garcia Andujar 
entwickelte vor genau zehn Jahren eine Arbeit, 
die sich mit der zunehmenden Privatisierung und 
Kommodifizierung von Sprache auseinandersetzt. 
Auf einer simplen HTML-Seite listet er Saetze 
auf, die eingetragene Warenzeichen und damit 
Eigentum ihrer jeweiligen Besitzer  sind, wie 
z.B. “Where do you want to go today?TM" 
(Microsoft), “A better return on informationTM" 
(SAP), “What you never thought possibleTM" 
(Motorola). Indem Andujar dieses Projekt mit 
“Remember, language is not freeTM" betitelt, 
nimmt er die in den darauf folgenden Jahren 
einsetzenden Auseinandersetzungen um “geistiges 
Eigentum" vorweg, die sich Mitte der 1990er 
Jahren in erbitterten Verteilungskaempfen um 
Domainnamen im World Wide Web abzuzeichnen 
begannen. (4)

Das makrolab des slowenischen Medienkuenstlers 
Marko Peljhan wurde erstmals zur documenta X 1997 
in Kassel aufgebaut, operierte Anfang 2000 an der 
Westkueste Australiens, im Fruehsommer 2002 in 
Schottland, dann an der Westkueste der 
Vereinigten Staaten und von Juni bis Dezember 
2003 auf der Insel Campalto bei Venedig. Beim 
makrolab handelt es sich um eine autonome 
Forschungs-, Arbeits- und Wohneinheit, die mit 
Hilfe von allerlei technischem Geraet die 
Topographie der Signale im gesamten 
elektromagnetischen Spektrum kartografiert - als 
eine Art privates ECHELON-System: Das Labor ist 
ausgeruestet mit Sende- und Empfangsantennen, die 
verschiedene Signalbereiche erfassen und dort 
zirkulierende Datenstroeme (private 
Telefongespraeche, satellitengesteuerte 
Navigationssysteme und militaerische und 
wirtschaftliche Kommunikation) aufzeichnen 
koennen. Das makrolab, das als zehnjaehriges 
Forschungsprojekt konzipiert wurde, wird abseits 
grosser Staedte oder Ausstellungen an moeglichst 
abgelegenen Orten aufgebaut und soll 2008 
permanent in der Antarktis installiert werden.

Anfang Juli 2006 fuhren zwei bulgarische 
LKW-Fahrer in einem umgebauten Lastwagen 47 
Zuschauer durch ein dichtes Netz von 
Autobahnraststaetten, Verladerampen, 
Containerhafen und Lagerhallen im Ruhrgebiet. 
“Cargo Sofia ist ein Modell Europas, eine Zelle 
der Globalisierung, in der die Zuschauer zu 
Voyeuren der alleralltaeglichsten Perspektive des 
Fernverkehrs werden [...]. Auf einem umgebauten 
Lastwagen mit transparent verglaster Laengsseite 
fahren [die] Zuschauer durch die 
nordrhein-westfaelische Landschaft aus Produktion 
und Konsum. [...] Zu diesen 
Ready-Made-Buehnenbildern des Transits fuegen 
sich suedosteuropaeische Biographien aus dem 
Fuehrerstand, Dialoge mit Essener 
Autobahnpolizisten und Duisburger 
Containerspediteuren, Balkanmusik und 
Motoren-Grooves." (5) Das Projekt von Stefan 
Kaegi, Mitglied der schweizer-deutschen 
Performancegruppe Rimini Protokoll, ist eine 
Mischung aus Theater, Performance und 
multimedialer Auffuehrung und erlaubt so zwischen 
inszenierter Realitaet und alltaeglicher Fiktion 
einen neuen Blick auf den (un)gewoehnlichen 
Alltag der Globalisierung. Cargo Sofia faehrt als 
aufmerksam beobachtende Zelle durch eine sich 
durch transnationalen Warenverkehr veraendernde 
Landschaft der Globalisierung. Videoeinspielungen 
im Innenraum des LKW legen sich ueber die 
Realitaet, schaffen und verweisen auf einen 
’augmented space'. (6) In diesem ist der mit 
Global Positioning System (GPS) ausgestattete LKW 
von Anfang an praesent, sichtbar auf den 
Monitoren der Speditionszentrale.

Der britische Kuenstler Heath Bunting 
interessiert sich fuer die Herstellung von 
Kommunikation und die Schaffung sozialer Kontexte 
und Verbindungen von virtuellem und physischem 
Raum. Waehrend Bunting in den 1980er Jahren 
mittels Graffiti psycho-geographische 
Interventionen in urbane Raeume vollzog, sich im 
Kontext von Fax- und Mail Art und Londoner 
Piratenradios engagierte, wurde er in der 1990er 
Jahren zu einem der exponiertesten Vertreter der 
so genannten “net.art", einer informellen Gruppe 
vorrangig europaeischer NetzkuenstlerInnen, die 
dem Mitte der 1990er Jahre einsetzenden 
Internethype kritisch gegenueberstanden. Zwischen 
1994 und 1997 entwickelte Bunting kuenstlerische 
Projekte vorwiegend im Internet. Er war in dieser 
Zeit einer der profiliertesten Netzkuenstler und 
einer der ersten, die sich aus der Netzkunst 
wieder zurueckzogen. Seitdem erkundet er 
Reiserouten fuer die unkontrollierte Ueberwindung 
europaeischer Staatsgrenzen. Das von der Tate 
Modern London in Auftrag gegebene 
Internet-Projekt BorderXing Guide (2001) 
dokumentiert die illegalen Grenzuebertritte 
innerhalb und ausserhalb Europas, die Heath 
Bunting und Kayle Brandon in den letzten Jahren 
im Selbstversuch vollzogen. BorderXing Guide 
versteht sich als Anleitung zum Grenzuebertritt 
ohne Papiere. (7)

Der franzoesische Kuenstler Renaud 
Auguste-Dormeuil installierte 2005 im Rahmen der 
Ausstellung Verstreute Momente der Konzentration. 
Urbane und digitale Raeume in der PHOENIX Halle 
Dortmund zwei Arbeiten, die aktuelle Technologien 
kommentieren, ohne diese jedoch selber 
einzusetzen. GPS (2001) befasst sich mit der 
Ambivalenz von Lokalisierung und Kontrolle im 
Zeitalter der Satellitennavigation. Die zunaechst 
rein dekorativ erscheinende, in den Farben gelb, 
pink und gruen gehaltene minimalistische 
Wandmalerei erweist sich auf den zweiten Blick 
als eine Visualisierung der Funktionsweise des 
Global Positioning System (GPS). GPS erlaubt 
weltweit eine auf wenige Meter genaue Ortung von 
Personen oder Objekten. Code International 
Sol/Air No. 14 (1999), realisiert als grosses 
Blumenbeet, kommuniziert eine geheime Botschaft 
(“Brauchen Waffen und Munition") an vorbei 
fliegende Helikopter und Flugzeuge.

All diese Arbeiten, die in den letzten Jahren 
entstanden sind, zeigen, dass Medienkunst heute 
zu einem erweiterten Feld der ’medialen Kuenste' 
geworden ist. Sie bedient sich einer ganzen Reihe 
von Medien, die bis vor ein paar Jahren im 
Medienkunstkontext noch nicht denkbar gewesen 
oder rezipiert worden waeren. Language (property) 
und das makrolab sind sicherlich durch die Medien 
und Technologien, die sie verwenden, am 
deutlichsten als Medien- oder Netzkunst 
erkennbar. Buntings und Brandons hybrides Projekt 
BorderXing Guide verschraenkt (wie uebrigens auch 
das makrolab) den realen mit dem virtuellen Raum 
und nimmt die sich ab 2000 zunehmend auf 
Bewegungen im (sub-)urbanen oeffentlichen Raum 
verlagernden Aktivitaeten dieses Teils von 
irational vorweg, die sich der physischen 
Ueberwindung von Zaeunen und Grenzen widmen (Tour 
d'Fence, Public Sculpture Climbing). Cargo Sofia 
macht als ’mobiler Theaterraum' diese sich 
zunehmend verwebenden virtuellen (medialen) und 
realen Raeume der Globalisierung als konkrete 
LKW-Routen erfahrbar. Renaud Auguste-Dormeuil 
schafft ein Wandbild, das die Funktionsweise des 
GPS Systems veranschaulicht und ein mobiles 
Blumenbeet, das seine Nachrichten in den Himmel 
kommuniziert. 

Das, was noch in den 1990er Jahren mit dem 
Sammelbegriff Medienkunst bezeichnet wurde, 
befreit sich also langsam von dieser 
begrifflichen Beschraenkung. Genauer: Die 
Medienkunst emanzipiert sich - in einer paradoxen 
Bewegung - zunehmend von der Verwendung neuer 
Medien/Technologien. Gleichzeitig spricht sie mit 
grosser Gelassenheit darueber, wie sich die uns 
umgebende Welt, die zunehmend auf digitalen 
Technologien basiert, durch eben diese Medien und 
Technologien veraendert. Dieser Paradigmenwechsel 
ist zu einem grossen Teil dem heute 
selbstverstaendlicheren Umgang mit diesen 
Medien/Technologien in unserem Alltag geschuldet. 
Internet, Telekommunikation, Video, Fotokameras, 
die moegliche Konvergenz aller dieser Medien in 
eines, naemlich die ’Universalmaschine Computer', 
all das ist in den letzten Jahren 
selbstverstaendlich geworden.

Das Spezifische der medialen Kuenste unter 
postmedialen Bedingungen sind heute nicht die 
Medien, sondern ihre spezifische Form der 
Zeitgenossenschaft, ihre inhaltliche 
Auseinandersetzung mit unserer in starkem Masse 
medial und technologisch gepraegten Gegenwart. 
Dabei findet diese Auseinandersetzung nicht 
unbedingt unter Verwendung dieser neuen 
Technologien statt, sondern die Kunst bedient 
sich (fast) aller moeglichen Medien und 
Techniken. Diese Art von Medienkunst befreit sich 
gleichermassen von dem Zwang, sich der neuesten 
Technologien zu bedienen. Sie entledigt sich der 
konzeptuellen Entlastung durch die Neuheit des 
Mediums und stellt sich der Herausforderung des 
Kuenstlerischen. Sie wird (endlich) erwachsen.

Die spezifische Art der Zeitgenossenschaft von 
Medienkunst ist nicht ihre 
ingenieurwissenschaftliche Technikkompetenz, wie 
dies Friedrich Kittler und seine Anhaenger - wie 
z.B. Stefan Heidenreich - in den 1990er Jahren 
fuer die Medienkunst apodiktisch gefordert haben. 
Vielmehr sind die oben genannten Kuenstlerinnen 
und Kuenstler Erfinder in einem erweiterten 
Sinne, eben im Sinne ihrer Zeitgenossenschaft, 
der in ihr geaeusserten inhaltlichen 
Auseinandersetzung und durchaus auch in ihrer 
Teilhabe und Teilnahme an einer Welt, die einen 
immer selbstverstaendlicheren Umgang mit Medien 
und Technologien pflegt und sich dadurch radikal 
veraendert. Es liesse sich gar eine - durchaus 
polemische - These aufstellen: Im Kontext der 
zeitgenoessischen Kunst sind es gerade die 
medialen Kuenste, die sich durch eine genuine 
Zeitgenossenschaft - also eine Teilhabe an und 
eine interessierte Auseinandersetzung mit der 
Gegenwart - auszeichnen. Nirgendwo im Bereich der 
zeitgenoessischen Kunst findet sich eine 
vergleichbar intensive inhaltliche und 
konzeptuelle Auseinandersetzung mit der 
wachsenden medialen Verfasstheit unserer Welt.

Voraussetzung fuer eine informierte, 
kuenstlerische Verhandlung der heutigen 
Medialitaeten unserer Lebensumwelt ist eine 
intensive Beschaeftigung mit den, und ein 
umfassendes Verstaendnis fuer die Materialitaeten 
der Medien und Technologien. Nur auf der Basis 
und vor dem Hintergrund einer solchen kritischen 
Informiertheit - einer Medienkompetenz, die ueber 
reine Bedienertaetigkeit hinausgeht - sind die 
medialen Kuenste heute denkbar. Kunst im 
Zeitalter ihrer postmedialen Bedingung bedeutet 
naemlich nicht anything goes, weil alles sowieso 
von den Medien erfasst und alles zum Medium wird. 
Es bedeutet vielmehr - analog zur Konzeptkunst - 
eine freie Wahl der kuenstlerischen Mittel, 
basierend auf der kritischen Analyse der 
Materialitaet und der den Medien zugrunde 
liegenden “Medialitaeten, Dispositive(n) und 
Performanzen, die die medialen Prozesse begleiten 
und in sie eingehen." (8) Die Bandbreite der 
kuenstlerischen Mittel kann dabei so gross sein 
wie in den oben beschriebenen Projekten: von 
HTML-Seiten, literarischen Fiktionen ueber 
illegale Grenzuebertritte bis hin zu mobilen 
Forschungslabors und Blumenbeeten.

Warum, so lautet eine berechtigte Frage, sollte 
man heute ueberhaupt noch am Begriff Medienkunst 
festhalten? Weil das, was in den medialen 
Kuensten verhandelt wird, noch immer nicht 
vollstaendig in die zeitgenoessische bildende 
Kunst integriert ist. Diese Geringschaetzung von 
Seiten der bildenden Kunst hat sich die 
Medienkunst zum grossen Teil selbst 
zuzuschreiben: Sie hat sich (durchaus zu Recht) 
eigene Formate und Institutionen geschaffen - ihr 
ist es jedoch nicht gelungen, aus diesem selbst 
geschaffenen Ghetto zu entkommen. (9) Das liegt 
einerseits an der Fokussierung auf die Technik 
und dem oft simplen Interaktivitaetskonzept der 
Medienkunst. Der andere, nicht minder wichtige 
Grund ist im Format von Medienkunstfestivals zu 
suchen. Seit Ende der 1970er Jahre hat sich in 
Europa und darueber hinaus eine 
Festival-Landschaft etabliert, die fuer die 
Zirkulation der neuesten Arbeiten und Themen 
sorgt. Es sei unbenommen: Festivals sind wichtige 
internationale Treffpunkte und Katalysatoren. 
Aber als Format fuer die medialen Kuenste reichen 
sie nicht (mehr) aus.

Medienkunstfestivals sind temporaere Formate, die 
oft qualitativ nur unzureichende Moeglichkeiten 
fuer die Praesentation komplexer Installationen 
bieten. In der zeitgenoessischen (Medien-)Kunst 
ist jedoch die Qualitaet der Praesentation fuer 
die Rezeption des Ganzen mitentscheidend. 
Speziell die Praesentation von Medienkunst ist 
dabei ein aeusserst komplexes Unterfangen - man 
denke nur an die spezifischen Aspekte von Licht, 
Ton, Raumsituationen und dem Einsatz aeusserst 
heterogener Installationsmaterialien. Oft erlaubt 
der Festivalkontext jedoch keine 
Beruecksichtigung dieser vielen Einzelaspekte. 
Dies fuehrte dazu, dass die Medienkunst, die 
sich, chronologisch betrachtet, von zeitbasierten 
einkanaligen Videoarbeiten (1960er Jahre) ueber 
’Videoskulpturen' (1980er Jahre) zunehmend in 
Richtung komplexer, durchaus auch partizipativer 
Projekte und Installationen entwickelte, in einem 
’Festival-Stadium' gehalten wurde, ueber das sie 
nur selten hinauszuwachsen vermochte. Dabei 
haette gerade die Wegentwicklung vom Format 
’Film' hin zum Format ’Kunst' einer veraenderten, 
oft auch praeziseren und durchdachteren 
Praesentation bedurft. (10)

Genau diesen Fragen widmet sich der Hartware 
MedienKunstVerein seit seiner Gruendung 1996 - in 
Ausstellungen, Film- und Videoscreenings, Musik- 
und Performanceprogrammen sowie Konferenzen und 
Workshops. Und er kann dabei durchaus fuer sich 
in Anspruch nehmen, spannende Loesungen 
entwickelt zu haben.


Fussnoten

1 Stefan Heidenreich, Es gibt gar keine 
Medienkunst! In: Frankfurter Allgemeine 
Sonntagszeitung, 27.1.2008.
2 Vgl. z.B. die Podiumsdiskussion "Media Art 
Undone" auf der transmediale.07, Berlin, 
3.2.2007, 
http://www.mikro.in-berlin.de/wiki/tiki-index.php?page=MAU 
(20.2.2008); Armin Medosch, Technological 
Determinism in Media Art, University of Sussex, 
October 2005, 
http://theoriebild.ung.at//pub/Main/TechnologicalDeterminismInMediaArt/TechnoDeterminismAM.pdf 
(19.2.2008).
3 Vgl. Rosalind Krauss: A Voyage on the North 
Sea: Art in the Age of the Post-Medium Condition, 
London: Thames & Hudson, 2000; Elisabeth Fiedler, 
Christa Steinle, Peter Weibel (Hg.): Die 
Postmediale Kondition, Graz 2005, 
http://www.neuegalerie.at/05/postmediale/konzept.html 
(20.2.2008).
4 Vgl. dazu die von Inke Arns und Jacob Lillemose 
kuratierte Ausstellung The Wonderful World of 
irational.org. Tools, Techniques and Events 1996 
- 2006, HMKV in der PHOENIX Halle Dortmund, 2006, 
sowie die Publikation The Hartware Guide to 
irational, hg. v. Susanne Ackers, Inke Arns, 
Francis Hunger und Jacob Lillemose, Revolver: 
Frankfurt am Main 2006.
5 Vgl. Website PACT Zollverein, www.pact-zollverein.de, 27. Juli 2006.
6 Der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) setzt 
sich seit Anfang 2005 intensiv mit dem 
sogenannten “augmented space" (dt. “erweiterter" 
oder “verdichteter Raum"). Der von dem russischen 
Medientheoretiker Lev Manovich gepraegte Begriff 
beschreibt den uns umgebenden Realraum, der 
zunehmend mit Informationen angereichert und 
durchsetzt ist bzw. von immateriellen 
Informationsstroemen durchzogen wird. Vgl. 
Verstreute Momente der Konzentration. Urbane und 
digitale Raeume, hg.v. Hartware MedienKunstVerein 
/ Inke Arns, Revolver: Frankfurt am Main 2005.
7 Vgl. Fussnote 4.
8 Dieter Mersch: Mediale Paradoxa. Zum 
Verhaeltnis von Kunst und Medien, in: sic et non. 
Zeitschrift fuer Philosophie und Kultur, 2006.
9 Vgl. dazu: Inke Arns, Jacob Lillemose, "It's 
contemporary art, stupid": Curating computer 
based art out of the ghetto, in: Argos Festival, 
hg. v. Anke Buxmann, Frie Depraetere, 
argoseditions: Bruessel 2005, English: S. 
136-145; Dutch S. 342-353.
10 Die 1984 gegruendete Videonale in Bonn widmet 
sich der Entwicklung neuer Praesentationsformate 
v.a. von Videokunst. Vgl. www.videonale.de 
(20.2.2008).




-- 

Dr. Inke Arns
Künstlerische Leiterin / Artistic Director
Hartware MedienKunstVerein
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History Will Repeat Itself
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Warsaw, a cooperation between HMKV Dortmund and 
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Waves - the Art of the Electromagnetic Society
HMKV at PHOENIX Halle Dortmund, in cooperation 
with AEC, Linz, and RIXC, Riga, 10 May - 29 June 
2008

Arbeit 2.0 - Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt
a cooperation between iRights.info and HMKV, 2007 - 2008, www.irights.info

Public Library 2.0 (as part of Arbeit 2.0)
HMKV at PHOENIX Halle Dortmund, 19 July - 19 October 2008