[rohrpost] Stipendiaten | work stipends 2008 | Edith-Ruß-Haus für Medienkunst

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Mit Mai 7 18:17:10 CEST 2008


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Stipendienvergabe des Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst 2008


Edith-Ruß-Haus für Medienkunst vergibt Stipendien 2008: 
Preisträger sind Petko Dourmana (Bulgarien), Kristin Lucas (USA),
Cornelia Sollfrank (D)

Ermöglicht durch die Stiftung Niedersachsen hat das Edith-Ruß-Haus für
Medienkunst für das Jahr 2008 drei sechsmonatige und mit 10.000 Euro
dotierte Arbeitsstipendien vergeben. Auf die internationale
Ausschreibung erfolgte wieder eine sehr hohe Anzahl von Bewerbungen
(431).



Die Jury
*	Susanne Jaschko, Netherlands Media Art Institute, Amsterdam
*	Warren Sack, University of California, Santa Cruz, USA
*	Annette Schindler, plug.in, Basel
*	Stephan Urbaschek, Sammlung Goetz, München
*	Sabine Himmelsbach, Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg


Die Stellungnahme der Jury zu den Preisträgern

Petko Dourmana *Post Global Warming Survival Kit*

In seinem vorgeschlagenen Projekt *Post Global Warming Survival Kit*
plant der bulgarische Künstler Petko Dourmana die Realisierung einer
Multimedia Installation, die den Arbeitsplatz einer Person nachbildet,
die den Streifen zwischen Meer und Land in einer fiktionalen
postapokalyptischen Landschaft bewacht. In Dourmanas Fiktion herrscht
ein *nuklearer Winter*, in dem die Oberfläche der Erde komplett mit
Asche bedeckt ist und der von dubiosen politischen Gruppierungen oder
Regierungen als Lösung des Problems der globalen Erderwärmung
herbeigeführt worden ist. Vor dieser Kulisse will Dourmana die
Sehkraft des Betrachters verändern. Er setzt dazu Digitalkameras ein, um
so das Sehspektrum durch den Einbezug von Infrarot-Licht zu erweitern.
So bietet er dem Betrachter die Möglichkeit, andere visuelle Welten oder
Teile unserer Wirklichkeit zu erfahren, die ohne die technischen
Hilfsmittel nicht sichtbar sein würden. Die Jury anerkennt die
Vorstellung, dass Dourmana uns mit seiner Installation ökologische
Veränderungen bewusst machen will, die auch durch für uns nicht
sichtbare Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung verursacht werden.
Seine Installation zielt darauf ab, eine fiktionale Szene mit
technologischen Apparaten und den eingeschränkten Möglichkeiten unserer
Sinne in Zusammenhang zu bringen. Ohne die Technologie würden wir in
einer mit Asche bedeckten Welt blind sein. Voller Ironie konstatiert
Dourmana den *nuklearen Winter* als einziges Konzept, das der Mensch
sich hat einfallen lassen, um die globale Erderwärmung zu verhindern:
ein dystopischer Blick auf die Politik und unsere Zukunft.


Kristin Lucas, *kl_v2*

In ihrer Arbeit widmet sich die amerikanische Künstlerin Kristin Lucas
dem Thema Transformation und Porträt. Dabei flößt sie jedoch weniger der
Maschine Menschlichkeit ein, sie wendet vielmehr die Vorgehensweise der
elektronischen Medien auf ihr eigenes Leben an. Kürzlich hat sie beim
Obersten Gericht Kaliforniens mit Erfolg den Antrag gestellt, ihren
Namen von *Kristin Sue Lucas* zu *Kristin Sue Lucas* ändern zu
dürfen. In ihrem für die Zeit des Stipendiums vorgeschlagenen
Projekt, das sie *kl_v2* übertitelt hat, wird sie bestimmte Strategien
durchleben, um die Implikationen, Begrenzungen und Vorzüge besser zu
verstehen, die es mit sich bringt, die gegenwärtigste Version ihrer
selbst zu sein. Dokumentationen, Beobachtungen und Konsultationen von
Experten für das Urheberrecht, für genetische Wissenschaft, Philosophie,
Medientheorie und Ähnliches kulminieren dabei in einer Vielzahl
künstlerischer Projekte (Weblog, Podcast, Videos, ein allumfassendes
Buch und eine Begleit-DVD). Lucas inszeniert eine neue *Version* ihrer
selbst, indem sie sich wie eine Website immer wieder aktualisiert. Die
Jury war beeindruckt von ihrer Erkundung der Technologie wie ein
*zweites Ich*. Indem sie einen digitalen Mechanismus auf sich
selbst anwendet, interpretiert sie diese Metapher geradezu und öffnet
sie für eine breitere Fragestellung. Ihr Projekt wurzelt in einem
rechtlichen Kontext, berührt jedoch eine Anzahl von Faktoren, die die
technologischen Gegebenheiten unserer Welt beeinflussen. Sie untersucht
Identität, indem sie die technischen Prozesse von Innovation und
Kreation auf die Fragen der menschlichen Erneuerung überträgt. *Was*,
so fragt sie, *stellt die Technologie mit uns an?*


Cornelia Sollfrank, *Déjà Vu: First Plagiarism Detection Software for
Fine Arts*

Die deutsche Künstlerin Cornelia Sollfrank produziert Kunst, die Fragen
des Copyrights anspricht. Mit *Déjà Vu: First Plagiarism Detection
Software for Fine Arts* schlägt Sollfrank ein im Internet verankertes
Software Projekt vor, das Kunstplagiate aufspüren kann. Die digitalen
Datenbanken des World Wide Web machen es heute ganz einfach, Inhalte zu
stehlen, indem vorgefundene Erzeugnisse durch Kopieren und Einfügen in
neue Kontexte übernommen werden. Das Phänomen des Plagiats ist so zu
einem Bestandteil des alltäglichen Lebens geworden, insbesondere in den
Bereichen der Universitäten und Softwarefirmen. Die Software von
Sollfrank nutzt, um Kunstplagiate zu ermitteln, Algorithmen der
Bioinformatik, die ursprünglich entwickelt wurden, um Genommuster
abzugleichen. Auf diese Weise wird ihre Arbeit ein Werkzeug
wissenschaftlicher Messtechnik für einen Bereich zur Verfügung stellen,
in dem bislang Beliebigkeit vorherrscht. In einer Remix-Kultur erscheint
die Frage nach der Authentizität der Kunst geradezu absurd. Die
Vorstellung vom Künstler, der seine Werke aus dem Nichts erschafft, ist
obsolet. Und dennoch verheißt uns Sollfranks ironischer Ansatz ein
Verfahren, um Original und Kopie zu unterscheiden. Sie bringt uns dazu,
die Kulturgeschichte und komplette Vorstellung von den künstlerischen
Beeinflussungen zu überdenken, indem sie das Konzept künstlerischer
Authentizität dekonstruiert. Ihr Projekt erlöst uns von der Furcht vor
Beeinflussung, indem es die Unmöglichkeit aufzeigt, überhaupt etwas
Authentisches zu schaffen.

Biografische Information zu den Stipendiaten und Bildmaterial stellen
wir auf Wunsch zur Verfügung. 

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Edith Russ Site for Media Art awards work stipends 2008 to
Petko Dourmana (Bulgarien), Kristin Lucas (USA), Cornelia Sollfrank
(D)

The Edith Russ Site for Media Art has awarded three six-months work
stipends for 2008. The 10.000 € stipends are sponsored by Stiftung
Niedersachsen. The advertisement was answered by 431 applications from
all over the world. 



The Jury: 

*Dr. Susanne Jaschko, Curator for Media Art and Popular Culture,
Netherlands Institute for Media Art 
*Warren Sack, Assistant Professor, Film and Digital Media Department,
University of California, Santa Cruz 
*Annette Schindler, Director [plug.in], Basel 
*Dr. Stephan Urbaschek, Senior Curator for Exhibitions and Media Art
for Goetz Collection, Munich
*Sabine Himmelsbach, Artistic Director Edith Russ Site for Media Art,
Oldenburg 

Jury-Statements

*Kristin Lucas *kl_v2*
American artist Kristin Lucas* artistic projects are dealing with the
issues of transformations and portraiture as a main aspect of her work.
Reversing the popular concept of infusing humanity into machines, she
instead applies familiar strategies of electronic media to her own life.
In her project proposal *kl_v2*,Lucas follows up her recent Superior
Court issued name change from Kristin Sue Lucas to Kristin Sue Lucas. In
the proposed project for the stipend period, she will undergo strategies
to better understand the implications, limitations and advantages of
being the most current version of herself. Documentations, observations
and exchanges with consult experts of copyright law, genetic science,
philosophy, media theory and many others will culminate in a variety of
artistic formats and outputs (e.g. a weblog, podcast, videos, a
comprehensive book and accompanying DVD). Lucas is staging a new
*version* of herself, refreshing herself like a webpage. The jury
has been impressed by how she applies technologies to herself as a
second self. By applying a digital mechanism to herself, she takes a
metaphor literally and opens it up to a wider context. Her project has
its source in the legal context and expands into various dimensions,
which have impacts on technological realities that we interact with. Her
work deals with the issues of identity by using the same principles of
renewal for a human being as for a technical process. She ultimately
asks the question, what technology does to our bodily selves. 


*Cornelia Sollfrank *Déjà Vu. First Plagiarism Detection Software for
Fine Arts*
In German artist Cornelia Sollfrank*s works copyright issues are a
main topic. With *Déjà Vu. First Plagiarism Detection Software for Fine
Arts*, Sollfrank proposes an Internet-based software project that will
detect plagiarism in art. Since the digital databases of the World Wide
Web have made it so easy to steal content and by copying and pasting
creating new contexts, the phenomenon of plagiarism belongs to the daily
routine in today*s society, especially within universities and
software companies. Sollfrank*s plagiarism detection software for the
arts will employ distance calculation algorithms originating from
bioinformatics for matching human genome patterns thus providing
scientific measuredness for a field where arbitrariness and incapability
of proof used to rule. 
The jury was very convinced by this project and its implications. In a
remix culture the question of authenticity in art seems absurd. In that
context Sollfrank, with an ironic approach, provides us with a procedure
to distinguish the original from the copy. She makes us reflect on
cultural history and the whole notion of artistic influences and
deconstruct the concept of the artist who creates from nothing as an
obsolete one. Thus she releases us from the anxiety of influence by
showing the impossibility of composing anything authentic.


*Petko Dourmana *Post Global Warming Survival Kit*
In his proposed project *Post Global Warming Survival Kit*,
Bulgarian artist Petko Dourmana plans to realize a multimedia
installation that will recast the working place of a person, who is
observing the border between the see and the land in a fictional
post-apocalyptic landscape. Dourmana will create the fiction of a
*nuclear winter*, with ashes covering the surface of the earth,
which is initiated by political groups or governments as a solution to
*global warming*. In this setting he is literally trying to
change the vision of the viewer. By using infrared light he enhances the
visible spectrum which the viewer can access through digital cameras and
other technical devises. He offers the viewer the chance to experience
other visual worlds or parts of our reality that would not be visible
without technological devices. The jury acknowledges the idea that with
his installation, Dourmana makes us aware of ecological changes that are
also brought about by pollution and intoxication - things we don*t
see. In his installation he brings together a fictional narration with
technological devices and the limited capability of our senses (without
the technology we would be helpless). Laden with irony, Dourmana stages
a *nuclear winter* as the only concept man has come up with to avoid
*global warming* - a rather dystopian view on our future and a
desillusioned view on politics. 


*Biographical information and images will be provided by the Edith Russ
Site for Media Art on request.*




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