[rohrpost] The Thing lebt weiter
Guido Braun
gb at pont9.de
Mit Dez 16 18:51:36 CET 2009
the thing ist nicht tot. sie ... ach ja; sorry. hatten wir schon mal.
Ulrike schrieb:
> Die Idee lebt weiter: Hamburger AutorInnen als ProduzentInnen!
> http://thing-hamburg.de
>
> THE THING Hamburg stellt den aktiven Betrieb ein, oder wie aus THE THING
> Hamburg das THE THING Hamburg Archiv wurde
>
> Regelmäßige Nutzer der Internetplattform werden es längst bemerkt haben:
> THE THING Hamburg hat seinen aktiven Betrieb eingestellt; für das
> international anerkannte Medienkunst-Projekt stehen in der „Medienstadt
> Hamburg“ keine Fördermittel mehr zur Verfügung.
>
> Von November 2006 bis November 2009 war die Online-Plattform für Kunst
> und Kritik aktiv. Über 120 AutorInnen nutzten die Plattform für ihre
> Veröffentlichungen. Eine Gruppe von RedakteurInnen setzte Themen und
> betreute die Bild- und Textbeiträge. Ein offenes Forum lud
> KulturproduzentInnen zur Diskussion relevanter Themen ein und bot einen
> Ort zur Publikation. Auch überregional erfreute sich die Plattform einer
> interessierten und diskussionsfreudigen Leserschaft.
>
> Für das Selbstverständnis von THE THING Hamburg war und ist der Einsatz
> und die Erprobung neuer Technologien zum Aufbau von Produktions- und
> Kommunikationsinfrastrukturen ein zentrales Anliegen. Wir haben dieses
> Experiment mit großem Erfolg durchführen können und hatten viele Ideen
> für seine Weiterentwicklung. Doch nun sehen wir uns gezwungen, den
> Betrieb einzustellen und die Plattform in ein Archiv umzuwandeln.
> Hauptsächlich aus kulturpolitischen Gründen entschieden wir uns dagegen,
> die Plattform ohne Förderung weiterzuführen.
>
> Drei Jahre lang wurde THE THING Hamburg durch private Fördergelder
> teilfinanziert. Die Kulturbehörde hatte die Unterstützung vermittelt.
> Sich durch Inanspruchnahme öffentlich verwalteter Gelder in eine
> strukturelle Abhängigkeit zu begeben, war eine bewusste Entscheidung;
> sie hatte den Zwang zur Vereinsbildung und Rechenschaftspflicht zur
> Folge und erlaubte dafür professionelle technische Umsetzung sowie eine
> Honorierung der Beiträge (100 Euro pauschal). Die Bemühungen des
> Trägervereins, eine weitere Finanzierung oder Teilfinanzierung durch die
> Hamburger Kulturförderung sicherzustellen, blieben ohne Erfolg.
>
> Wir sahen uns im Förderprogramm der Kulturbehörde „Kunst im öffentlichen
> Raum“ richtig platziert, stattdessen empfahl die große Kunstkommission
> über „die Einrichtung eines eigenen Budgets für Medienprojekte
> nachzudenken“, eine sinnvolle Anregung, der aber nicht nachgegangen
> wurde. Zwei Anfragen an die Kultursenatorin Karin von Welck, uns
> zumindest beratend zu unterstützen, blieben unbeantwortet. Wir fragen
> uns, welche Antworten die Kulturpolitik auf die Tatsache hat, dass immer
> mehr KünstlerInnen – unzufrieden mit den Angeboten der offiziellen
> Institutionen – sich eigene Infrastrukturen bauen und die Präsentation,
> Vermittlung und Verbreitung ihrer Arbeit selbst in die Hand nehmen?
> Kulturpolitische Ideen und ein wenig mehr Experimentierfreude sind in
> Hamburg mehr als überfällig.
>
> Auch unsere Anträge bei der Medienstiftung Hamburg, der Hamburgischen
> Kulturstiftung und zuletzt bei der Körber-Stiftung wurden abschlägig
> beschieden. Die Begründungen von Seiten der Stiftungen lauteten, THE
> THING Hamburg entspräche nicht ihren Förderrichtlinien. Konventionellere
> Formate wie Ausstellungen, Projekte mit Eventcharakter sowie Kultur im
> Dienst von Stadtentwicklungs- und Standortpolitik werden bevorzugt
> finanziert.
>
> Im Sommer 2009 schließlich hat das Finanzamt dem Trägerverein die
> Gemeinnützigkeit aberkannt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass
> THE THING die Vereinsziele der Förderung von Kunst und Kritik „nicht
> mittelbar, sondern nur unmittelbar“ ausübe. Insbesondere bemängelt
> wurden die auf der Plattform veröffentlichten Texte mit politischem und
> kulturpolitischem Inhalt. Unsere Erläuterungen zu diesem Sachverhalt
> inklusive der Dokumentation unserer Korrespondenz mit dem Finanzamt
> findet sich auf der Startseite von THE THING Hamburg Archiv. Das
> Finanzamt ließ sich aber – erwartungsgemäß – von unserer Argumentation
> nicht überzeugen.
>
> THE THING Hamburg knüpfte an das 1992 von Wolfgang Staehle in New York
> gegründete Projekt THE THING an. Grundidee ist, dass KünstlerInnen als
> Teil ihrer Praxis Kommunikationsstrukturen schaffen, in denen sie
> untereinander – und mit anderen – ausgehend von künstlerischen
> Fragestellungen gesellschaftlich relevante Themen diskutieren und in
> unterschiedlichen Formaten publizieren können. Diese Idee, die nichts an
> Aktualität und Dringlichkeit eingebüßt hat, wurde von THE THING Hamburg
> erweitert durch die Diskussion der Produktionsbedingungen von Kunst mit
> Blick auf Kunstpolitik und Kulturpolitik und deren besonderen lokalen
> Verhältnisse: Theorie, Kunst und Politik lesen und lokal praktizieren.
>
> Der große Zuspruch von Menschen, die sich auf das Experiment THE THING
> eingelassen haben, die es schätzten und kritisch begleiteten, bestätigt
> die Richtigkeit unserer Idee. Mit Themensetzungen wie Kunst +
> Öffentlichkeit und Kunst + Selbstorganisation und deren Diskussion
> entlang lokal gegebener Bedingungen, schuf THE THING die kritischen
> Grundlagen für viele aktuelle Entwicklungen in der Stadt. Trotz des
> großen Zuspruchs, den die Plattform gerade auch in der letzten Zeit
> lokal, überregional und international erfuhr (mit bis zu 1000 Besuchen
> täglich auf der Website und einer großen Anzahl UnterstützerInnenbriefe)
> hat der Trägerverein beschlossen – ohne Förderung und ohne die
> Möglichkeit Sponsoren zu gewinnen – den aktiven Betrieb der Plattform
> einzustellen. Wir lassen uns nicht zur Ehrenamtlichkeit zwingen! Die
> Seite wurde in ein Archiv überführt und bleibt als solches weiter
> verfügbar.
>
> Lang lebe THE THING!
>
> Cornelia Sollfrank, Rahel Puffert, Kathrin Wildner, Sabine Falk, Ulrich
> Mattes, Herbert Hossmann, Ulrike Bergermann, Jörn Müller, Ole Frahm,
> Stefanie Lohaus, Dirck Möllmann, Ann-Kathrin Stoltenhoff, Hans-Christian
> Dany, Barbara Thoens, Malte Steiner.
>
>
> Kontakt: Cornelia Sollfrank, Rahel Puffert: info at thing-hamburg.de
>
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