[rohrpost] Workshop und Abendvortrag: Christliche Bilder in islamischen Kulturen, 13.12. (BBAW)

Ingeborg Reichle ingeborg.reichle at kunstgeschichte.de
Sam Dez 11 18:28:44 CET 2010


Workshop und Abendvortrag: Christliche Bilder in islamischen Kulturen

veranstaltet von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe „Bildkulturen“

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstr. 22/23,
10117 Berlin

13. Dezember 2010, 14.00-18.30 h

Konferenzraum 2 (Workshop)
Einstein-Saal (Öffentlicher Abendvortrag)


Das lang gehegte Vorurteil vom Islam als bilderfeindliche und
oppressive Religion gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen und deren
Kulturen erlebt spätestens seit dem ikonoklastischen Übergriff auf die
Buddha-Figuren im afghanischen Bamiyan durch die Taliban und den
wenige Monate danach erfolgten Anschlägen auf das WTC in New York vor
knapp einem Jahrzehnt eine neue Renaissance. Einen vorläufigen
Höhepunkt erfuhr die in das westliche Bewusstsein und selbst in
Fachkreisen fest verankerte Vorstellung vom islamischen Bilderverbot
durch den sogenannten Karikaturenstreit um die dänischen
Mohammed-Karikaturen. Dieser um das Bild gravitierende und mit dem
Bild argumentierende Konflikt steht in einer langen Tradition der
abendländischen, vornehmlich christlich geprägten Kultur, die das
Bildliche nicht nur als Alleinstellungsmerkmal für sich reklamiert und
sich darüber definiert. Stets diente das Bild in der Geschichte dieses
Diskurses auch und vor allem als Demarkationsmarke zu und als
Überlegenheitsmerkmal gegenüber dem islamischen Kulturkreis.

Doch wie ist es aus der historischen Perspektive dieser Problematik
tatsächlich um das Bild und der gegenwärtig politisch aufgeladenen
Diskussion um das Bildliche in den beiden großen Weltreligionen und
ihren Kulturen bestellt? Und welches historische Verhältnis besteht
zwischen Bildern, insbesondere westlicher bzw. christlicher
Provenienz, und der islamischen Kultur? Ist dieses Verhältnis beider
visuellen Kulturregionen auch und gerade in der historischen
Perspektive wirklich diesem dichotomen Schema verhaftet? Oder
offenbart sich bei der näheren Betrachtung, zumal aus der
interdisziplinären Sicht, ein vielfältiges und differenzierteres
Geschichtsbild, das auf einen fortwährenden Austausch und der
gegenseitigen Befruchtung beider Bildkulturen fußt? Diese Fragen
stellen sich umso dringlicher, je öfter die eurozentrisch orientierte
Bildgeschichte nicht nur über den Rand des eigenen
Untersuchungsgegenstandes, sondern auch des eigenen Faches hinaus und
auf die benachbarten kulturhistorischen Disziplinen wie der Osmanistik
und den Islamwissenschaften blickt. Hans Beltings kontrovers
diskutierte These vom Ursprung der Zentralperspektive in der
islamischen Sehtheorie machte hierin einen ersten Schritt ausgehend
von Orhan Pamuks – wenngleich in der fiktionalen Form des Romans –
verfassten Geschichtsstudie über die engen Kontakte zwischen
westeuropäischen und osmanischen Malern und deren intensiven
Auseinandersetzungen über das Bildliche.

Dieses Desiderat der Bildgeschichte mitsamt der ihr inhärenten
transkulturellen Beziehungen und historischen Verflechtungen nimmt der
geplante Workshop der Interdisziplinären Arbeitsgruppe „Bildkulturen“
zum Anlass, um erstmals über die Stellung der christlichen Bildkultur
in islamischen geprägten Gesellschaften zu diskutieren. Dabei soll es
jedoch weniger um eine Analyse des konfliktreichen Potenzials von
bildlicher Repräsentation, und noch weniger um die diffuse Rede von
der „Macht der Bilder“, etwa über deren ikonoklastischer Immanenz
gehen. Methodisch soll ein bislang kaum beschrittener Weg gegangen
werden, auf dem die historische Bildforschung mit den Erkenntnissen
namentlich der Osmanistik und der Islamwissenschaften gebündelt werden
sollen, um hieraus Rückschlüsse auf Gemeinsamkeiten und reziproke
Wirkungen beider Bildkulturen ziehen zu können. Im Mittelpunkt stehen
dabei die Ansätze empirischer Bildforschung, die, verknüpft mit der
sozial- und rechtsgeschichtlichen Quellenanalyse der Osmanistik und
der Islamwissenschaften, auf die Benennung der komplementären
Verhältnisse, der Berührungspunkte und der verwandtschaftlichen
Verbindungen zwischen der christlichen Bilderwelt und ihrem bislang
stets als diametrales Gegenüber betrachteten Pendant islamischer
Prägung abzielen.

Die Diskussion soll am Beispiel der Stellung der christlichen
Bildkultur im Osmanischen Reich geführt werden. Der jahrhunderte lange
Bestand und Entfaltung christlicher Architektur- und Bildkunst in
einer islamischen Gesellschaft zeugt von einer weitgehend liberalen
Bildpolitik im Osmanischen Reich gegenüber den monotheistischen
Religionen und ihren Kulturen, die nicht zuletzt in der besonderen und
für ihre Zeit bahnbrechenden sozialen Struktur des islamischen
Imperiums begründet lag. Zu nennen wäre hier das sogenannte
Millet-System, wonach Christen und Juden als „Menschen des Buchs“
anerkannt und damit den Status von „Schützlingen“ des islamischen
Staats genossen. Dieses grundlegende Element des Islam und
insbesondere seiner osmanischen Prägung bildete die Basis für die
gleichberechtigte juristische Stellung und die weitgehende
Selbstverwaltung des christlichen Millets unter den Osmanen. Damit
einhergehend – so die Grundprämisse – konnte sich in einer islamischen
Gesellschaft sowohl die christliche Kultur im Allgemeinen als auch
ihre Äußerung in Bildern im Besonderen entfalten und von der
unmittelbaren Nachbarschaft zur islamischen Kultur auf besondere Weise
profitieren.

Die Betonung liegt also weniger auf der Untersuchung von visuellen
Praktiken und Vokabularen der Abgrenzung oder Konfrontation, sondern
gerade auf ihrer kritischen Überprüfung und der Absicht, die
Gemeinsamkeiten beider Bildkulturen zu beleuchten. Gerade die
Osmanistik mit ihren auf intensiven Quellenstudien und archäologischer
Feldforschung beruhenden historischen Einsichten in die Geschichte der
christlichen Kultur unter islamischer Herrschaft stellt den
Bildwissenschaften hier einen unerschöpflichen und bislang kaum
beachteten Quellenfundus zur Verfügung, der von einer anderen und in
der Bildforschung kaum bekannten Bildgeschichte des Christentums zeugt.


Programm
Montag, 13. Dezember 2010

14.00 – 14.15 Uhr
Begrüßung
Martina Baleva (Kunstgeschichte/Berlin)

14.15 – 15.00 Uhr
Claus-Peter Haase (Islamwissenschaft/Berlin)
BILDER DER OSMANISCHEN MILLETS
Darstellungen der nicht-islamischen Religionsgemeinschaften in den
osmanischen Kostümalben vom 16–18. Jahrhundert

15:00 – 15.45 Uhr
Friederike Weis (Kunstgeschichte/Florenz, Berlin)
MARYAM – MARIA
Bilder aus dem Marienleben in Mer’ât al-Qods-Handschriften des
Moghulhofes 1604–1610

15.45 – 16.15 Uhr Pause

16.15 – 17.00 Uhr
Nimet Seker (Islamwissenschaft/Bonn)
BILDERVERBOT UND BILDERBOOM IM OSMANISCHEN REICH
Das islamische Bilderverbot und der Boom der Porträtfotografie im
Osmanischen Reich

17.00 – 17.45 Uhr
Martina Baleva (Kunstgeschichte/Berlin)
ISLAMISCHE BILDER UND IHRE CHRISTLICHEN VORBILDER
Die „Russischen Gräuel“ in der osmanischen Bildpropaganda Abdülhamids II.

19.30 Öffentlicher Abendvortrag
Einstein-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Begrüßung: Martina Baleva

Einführung: Claus-Peter Haase

Vortrag: Machiel Kiel

CHRISTLICHE KUNST UNTER ISLAMISCHER HERRSCHAFT
Die Kunsthistoriografien der Balkanländer aus Sicht osmanischer
administrativer Quellen und der eigenen Feldforschung

Öffentlicher Empfang