[rohrpost] N A K E D E Y E von Sylvia ECKERMANN im Kunstraum Bernsteiner

Oliver Grau Oliver.Grau at donau-uni.ac.at
Sam Dez 11 20:41:12 CET 2010


N A K E D   E Y E
eine intermediale Rauminstallation von SYLVIA ECKERMANN

im Kunstraum BERNSTEINER, Schiffamtsgasse 11, Wien

1. Dezember 2010 - 9. Jänner 2011
Öffnungszeiten: 1. - 4. und 7. - 11. Dezember 14h - 19h
http://syl-eckermann.net/nakedeye/index.html


Für Naked Eye verwandelt Sylvia Eckermann den White Cube des kunstraum
BERNSTEINER in einen choreographierten Raum aus Text, Bild, Farbe und
installativen Elementen. Der Ausstellungsraum ist von außen nicht
einsehbar. Die Glasscheiben der vier Eisentore sind mit einer
spiegelnden Oberfl äche überzogen, die den Raum nahezu blickdicht
abschirmt. Leerstellen im Spiegelraster ergeben ein Zeichenmuster, das
von außen kaum dekodierbar ist. Wenn man den Raum betritt, befi ndet man
sich in einem Ensemble, das sich durch die Spiegelung verdoppelt und der
nun lesbare Text * ein von Alfred Adler, dem Begründer der
Individualpsychologie, stammendes Zitat * überlagert sich mit der von
Eckermann arrangierten Rauminstallation: An der dem Eingang
gegenüberliegenden Wand sind Bildträger im Stil der Petersburger
Hängung platziert. Durch ihre Materialpräsenz und die spezielle
Oberfl ächenbehandlung thematisieren sie einerseits den Anspruch des
Bildes auf Autonomie, dienen andererseits als Projektionsfl ächen einer
Bild-Choreografi e, die via programmierter Beamer auf diese Objekte
projiziert wird, und sie damit erst in Licht taucht. Projektionswand und
Bodenbelag sind in derselben Farbe ausgeführt. Eine Audioebene
(Komposition: szely) schwebt bodennah im Raum.

In Sylvia Eckermanns Ausstellung Naked Eye * dem Blick mit bloßem
Auge * lösen sich die Kategorien einer narrativen Erzählung auf und
erlauben einen Blick auf und durch die Materialien der Kunst. In einem
2008 erschienenen Interview in Art & Research. A Journal of Ideas,
Contexts and Methods spricht Jacques Rancière dieses Thema im Rückblick
auf eine Diskussion an, die das damals neue Medium Film im Kontext der
Kunst (und der Leinwand) betrachtete: *Für die Theoretiker der 1920er
Jahre war der Film die Kunst, die gekommen war, die alten narrativen und
psychologischen Erzählformen abzulösen, um stattdessen das Ereignis der
Stoffl ichkeit der Materie zu erschließen * das Leuchten der
Lichtatome auf der Leinwand. Es war die Kunst der Maschine, die uns von
der klassischen Figur des Künstlers befreien und durch die wir uns von
den klassischen Figuren und Formen der Narration und Psychologie
abwenden sollten. Die Kunst des Lichts und die Kunst der Bewegung
sollten für sich sprechen. Es zeigte sich aber, dass das Kino etwas ganz
anderes tat, weil es psychologische Erzählformen, die anderweitig
bereits zuvor zerstört worden waren und sogar die Einteilung in Genres
wiedereinführte.* *

Naked Eye überführt diesen Kontext in den zeitgenössischen Diskurs über
das Dispositiv *Ausstellung*. Der Screen dehnt sich über die
eigentliche Leinwand aus, der gesamte Raum wird *Projektion*, wird zum
Empfänger der taktilen Spur von Licht und Bewegung. Die *Rede* im
Zitat Alfred Adlers könnte sich hier auf die Kunst umdeuten lassen:
*Wenn Ihnen das, was der Patient sagt, widersprüchig und verwirrend
vorkommt, dann schließen Sie die Ohren und öffnen Sie weit die Augen.
Schauen Sie ihm genau beim Reden zu, und Sie werden auf einmal ganz
genau verstehen, was er Ihnen nicht sagt.*