[rohrpost] Vuvuzela-EX (R)
Matze Schmidt
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Mon Jun 14 15:06:27 CEST 2010
Vuvuzela-EX NEU
Zu "Vuvuzela, Informationsueberflutung, Rassismus"
> Vuvuzela, Informationsüberflutung, Rassismus
> http://berlinergazette.de/vuvuzela-rassismus-fussball-wm
Krystian Woznicki faengt erst gut an, belegt und verteilt die "Diskussions"-Punkte der Aversionen gegen den Vuvuzela-Noise, begreift aber das 'Wesentliche' nicht und dreht dann gegen Ende seines Artikels wieder den Infofilter-Hahn auf, also die Technoloesung, die das Gerede (Ueberflutung), das massenhafte, steuern helfen soll. Das ist der altbekannte Schritt von der Oekonomie- zur Kulturtheorie der Maschine mit materialistischem Grundrauschen (sic!). Remember Kittler, der schon ca. 1998 professoral vor der exklusiv ueberteuerten Silicon Graphics sagte, dass Netze ja Scheisse seien (Eine von mir geliebte Anekdote). Weil da ja offenbar nur Gerede sei? Die Hochkulturgezuechteten brauchen den Generaldirektor Adolf Grimme-Preis fuer die Selbstvergewisserung eigener Kulturmacht, die nun ausgesetzt wird mit dem Krach der bloeden, vom Billigplastik-Horn Verfuehrten. Die importierte Trompete sei unauthentisch und nicht mehr echt exotisch. Musikalischen Kriterienverfechtern der buergerlichen westlichen Hochkunst, inklusive des dt. Expressionismus nach afrikanischer Kunst, ist das immer nur dasselbe, nur Laerm. Es gibt keine Hoehepunkte, keine Struktur mehr. Was echt und gut und schoen sei, weisz auch und vor allem der, der kein "Freund dieser Troete" ist. Der individuelle Geschmack zaehlt also wieder, weil das aesthetisch vernuenftig ist. Das kann man gut mit dem Grundsatz der Gruenen assoziieren, deren Vernunft auch alles bestens reguliert, bekanntlich bis hin zum Angriffskrieg fuer Bionade.
Diderichsens altes Diktum, wenn jedes Fussballspiel gleich klinge, handele es sich num relevante neue Musik, ist hier natuerlich verfehlt. Da es der Sound der Zehntausenden ist, des Publikums, das willfaehrig mit ihrem Fantum wenigstens im audiblen Spektrum definiert was im Stadion abgeht. Man darf nur Staedion nicht mit Spiel verwechseln, welches ja nur noch der gelieferte Sport zum Umsatz ist, also die Ware zum Tausch darstellt. Aber diese Definition des Klangraums geschieht quasi anarchisch und wurde auch anarchisch in allen Nationalfarben kolonialistisch angeheizt, ethnizistisch propagiert und wird nun obrigkeitststaatlich wieder verboten. Jede Kreissaege, das wissen die Neubauten in der Post-Hornbachmoderne am besten, ist im Kontext der Symbolisierung eben gerade nicht die Kreissaege auf der Strasse.
Aber der Reihe nach. Nimmt man z.B. die alte Widerspiegelungstheorie, dann waere der ungerichtete Sound aus den Vuvuzelas zunaechst einmal der einer ungerichteten Vielheit, die dennoch scheinbar willfaehrig das Spektakel der sogenannten Weltmeisterschaft beschallt und also affirmativ untermalt. Anarchisch wie der Markt nunmal ist, wurde aber den Leuten das Ding auch hier in der BRD fuer 1,30 verkauft und ist in Bayern oder auf der Fanmaile Deiner Wahl mittlerweile verboten. Wer dort nicht oeffentlich Fan ist, sondern kritisch Private Viewing macht, sich also abhebt, wird nun irgendein Skript anwenden sollen, das den Krach draussen haelt. Neben dem ganzen Cultur-Clash, ist das mindestens eine doppelte, ja dreifache Enteignung und zeigt den Irrsinn der Industrie ueberhaupt klar und deutlich an: Kauf den Scheiss, konsumiere ihn aber nicht. Oder: Eigne Dir ein Instrument/Medium an, aber setze es nicht ein. Weder die Libido der Grossveranstaltungsgaenger ist damit frei, noch die ausgenutzte ersatzreligioese Begeisterung, noch der bewusztlose Klang des vielleicht Gemeinsamen (Bienensummen) gehoert den Statisten der WM. Alles ist restringiert aber spielt Satisfaction. Das perfekte Abbild der in der soziologisch in sogenannter Konsumgesellschaft gefangenen Enteignung der Produktivitaet der Menge (Toni Negristisch) oder Masse (Marxistisch). Denn produziert haben die Hoerner welche, die sich das auch kaufen (3fache Enteignung). Wenn also jemandem der Nerv geraubt oder getoetet wird, ist das nicht der Diebstahl der interessant ist. Der liegt in der Wegnahme der Kette der Herstellung des Dings, seiner immateriellen Qualitaeten und der Arbeits- und "Freizeit", die dafuer verbraucht wird.
Den richtigen Filter zu liefern und zu finden ist demnach blosze Nationaloekonomie, beinhahe a la Jacques Attali's Buch _Noise_, der alles Revolutionaere (vernuenftig?) in unterschiedslos neuen Ordnungen verortet wissen will. Die Oekonomie der Nationen -- worin das hochgeruestete und verschuldete Suedafrika bekommt was es verdient. Den Krach, der die Stimme des Einzelnen zwar erklingen laesst, diesen aber zur abstrakten Un-Artikulation eines Furz draengt (nichts gegen "Noise", I'm lovin' it), der aufgeht in der allzu bunten Masse, die jedoch nicht ornamental genug, nicht gerade genug ist. Also gerade nicht faschistische und kontrollierbare Masse ist. Was die Kommentatoren, unsere Stimme im TV, wieder mit ihren Zuschauern hoeren wollen, ist der Heideggersche "Mercedes im unmittelbaren Unterschied zum Adler-Wagen". Unordnung war schon immer gefaehrlich. Was also verteidigt werden muss gegen die _Ausrichter_ und _Schalter_ (elektr. Filter sind nichts anderes) des un-artifiziellen Noise, ist die Unbaendigkeit, die darin -- romantisch ausgedrueckt -- aufklingt, ohne dem darauf projizierten Free Jazz und dem zigsten Geraeusch Musik-Pop zu folgen.
Matze Schmidt
nicht Tippfehlerbereinigte Vers.!
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