[rohrpost] One World Berlin Human Rights Filmfestival mit Filmen über Grundeinkommen, NSU-Komplex, LGBT-Geflüchtete. 12.-18. Oktober im Lichtblick, Moviemento und Refugio
Natalie Gravenor
natgravenor at gmail.com
Di Okt 10 19:27:26 CEST 2017
One World Berlin Human Rights Film Festival 12.-18. Oktober 2017 im
Moviemento, Lichtblick und Refugio Berlin
Informationen zum Programm finden Sie unter _www.oneworld-berlin.de_
Zum 12. Mal findet das One World Berlin Human Rights Film Festival
statt. Vom 12. bis 18. Oktober 2017 zeigen wir aktuelle Dokumentarfilme
aus Deutschland, Österreich und den USA. Die Themenschwerpunkte dieses
Jahr sind: die Verbrechen des NSU und Hindernisse bei deren Aufklärung
und juristischer Ahndung; Grundeinkommen und ein kommunales Coworking
Space als Modellprojekte für mehr soziale Gerechtigkeit; das Eintreten
für reproduktive Rechte in den USA sowie die Integration von LGBTQI*
Geflüchteten. Alle Filmvorführungen werden begleitet von Gesprächen mit
Filmemacher*innen und thematischen Expert*innen.
Das Festival wird am 12. Oktober 2017 eröffnet mit der Berlin Preview
von FREE LUNCH SOCIETY – KOMM KOMM GRUNDEINKOMMEN (A 2017,
*Berlin-Premiere*) von Christian Tod. Vor ein paar Jahren galt das
universelles und bedingungsloses Grundeinkommen als linke Utopie, in der
Praxis nicht durchzuführen. Inzwischen gehören deutsche Unternehmer zu
den engagiertesten Verfechtern dieses Reformprojektes, auf
Internetplattformen können sich Menschen für Grundeinkommen bewerben.
FREE LUNCH SOCIETY beleuchtet Pro- und Kontraargumente und setzt das
Grundeinkommen in Zusammenhang mit übergeordneten Fragen nach Gemeingut,
Gemeinwesen und gerechter Ressourcenverteilung.
Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die Situation von
LBGTIQ*-Migrant*innen. Am 13. Oktober findet im Refugio Berlin, in
Kooperation mit dem Landesverband Kinder- und Jugendfilm Berlin und
Stichting Art 1 und gefördert von der Botschaft des Königreiches der
Niederlande Berlin die Präsentation des Projektes QUEER FACES MIGRANT
VOICES statt. QUEER FACES MIGRANT VOICES ein deutsch-niederländisches
Kooperations-Projekt für junge Geflüchtete der LGTB Community, die vor
kurzem nach Deutschland oder den Niederlanden gekommen sind. Das Projekt
gibt ihnen den Raum und die Stimme sich mit ihrer kulturellen, sexuellen
und religiösen Identität zu befassen. Coaches helfen den Teilnehmern in
technischen wie auch persönlichen Fragen. Diese Fragen werden zu
Geschichten, die die TeilnehmerInnen auf Festivals, Websites, einem
Podcast Channel sowie über verschiedenen Radiosender teilen. Im Anschluß
an die Präsentation zeigen wir in Kooperation mit dem International
Queer & Migrant Film Festival Amsterdam, den Dokumentarfilm HOMØE (D
2017) von Bin Cheng über junge drei junge LGBTIQ*-Geflüchtete in
Deutschland. Festivaldirektor Chris Belloni wird den Film präsentieren
in Anwesenheit von Regisseur Bin Cheng (angefr.).
Das Programm am Samstag dreht sich um reproduktive Rechte weltweit. Der
Kurzfilm CARE IN CHAOS (USA 2017, *Europa-Premiere*) von Lindsey
Beyerstein und Martyna Starosta begleitet die junge Verwaltungsleiterin
einer Abtreibungsklinik in North Carolina. Zu ihrem Arbeitsalltag
gehören übergriffige Protestaktionen von Abtreibungsgegnern, die
Patientinnen und Personal einschüchtern und eine örtliche Polizei, die
bei diesen Gesetzesübertritten scheinbar nur wegschaut. Danach folgt der
Langfilm DAS SCHIFF (VESSEL, USA 2014) von zeitgemäßer, provokanter und
mobilisierender Film über die Arbeit von Diana Whitten über das Projekt
"Women on Waves" der Ärztin Rebecca Gomperts, die angesichts der
zunehmenden Illegalisierung von Abtreibungen weltweit zunächst
Abtreibungen auf einem Schiff in den Offshore-Gewässern anbietet und
Frauen darin ausbildet, sich selbst sichere Abtreibungen mit Tabletten
zu verschaffen, indem sie von der WHO abgesegnete Protokolle nutzen. Wir
erleben das Entstehen eines Untergrund-Netzwerkes von ermutigten,
informierten AktivistInnen, die an der Schnittkante der globalen
reproduktiven Rechte arbeiten, die Frauen vertrauen, die Abtreibung
selbst durchzuführen. VESSEL ist Rebecca Gomperts' Geschichte: von einer
Frau, die eine Berufung gehört und beantwortet hat, und eine äußerst
unwahrscheinlich Idee zu einer globalen Bewegung transformiert hat. Im
Anschluß an die Vorführung findet ein Gespräch statt mit Berliner
Expert*innen und Aktivist*innen für internationale reproduktive Rechte,
in Kooperation mit American Voices Abroad Berlin.
Als *Weltpremiere*zeigen wir Kathrin Lemckes Dokumentarfilm SHE WORKS
HARD (D 2017), der Elemente des kontrollierten sozial Experiments,
Inszenierung, Mockumentary, theoretische Überlegungen verbindet, um
anhand eines utopischen postkapitalischen Szenarios Arbeit in Zukunft –
und was das auch für die Gegenwart bedeuten kann, zu analysieren. Die
Regisseurin wird bei der Vorführung anwesend sein.
Drei Filme des Programms befassen sich mit dem sogenannten NSU-Komplex,
mit einem historischen Exkurs zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der
Bundesrepublik der Nachkriegszeit. 6 JAHRE, 7 MONATE UND 16 TAGE – DIE
MORDE des NSU von Sobo Swobodnik (D 2016) bezieht sich im Titel auf den
Zeitraum, in dem der „Nationalsozialistische Untergrund“ zehn Morde an
Migranten und einer deutschen Polizistin verübt haben. Der Regisseur
nähert sich essayistisch in lyrischem Schwarz-weiß dieser
unvergleichlichen rechtsextremistischen Mordserie ausschließlich mit
Bildern der zehn Tatorte, als stumme Zeugen der Anklage, der Reflexion
und Erinnerung. Diese Bilder werden ergänzt von einer Textcollage,
bestehend aus Zeitungsmeldungen, Ermittlungsprotokollen,
Prozessaussagen, den Statements von Hinterbliebenen und Fachleuten -
gelesen von Schauspielern des Berliner Ensembles - die wiederum
eingebettet werden in eine Musik-Ton-Komposition des Berliner Musikers
Elias Gottstein („Guaia Guaia“). Die Orte treten in den Dialog mit den
Stimmen der Hinterbliebenen, der Ermittlungsbehörden, der Presse und
finden ihren Widerhall in einem tonalen und musikalischen
Reflexionsraum. Anschliessend findet ein Gespräch mit Sobo Swobodnik und
Elias Gottstein statt, in Kooperation mit der Humanistischen Union.
Ergänzend dazu zeigen wir Die NSU-PROTOKOLLE – DAS VIERTE JAHR, eine vom
SZ-Magazin produzierte szenische Lesung der Prozeßprotokolle. Im vierten
Jahr lesen die Schauspieler*innen Sandra Hüller, Stefan Hunstein und
Ulrich Matthes; in diesen Protokollen befinden sich die erstmalige
Aussage der Angeklagten Beate Zschäpe. Mit dem Wunsch der jungen
Bundesrepublik, die Verbrechen der Nazis schnell zu vergessen und das
Wirtschaftswunder zu genießen – und die verheerenden Folgen dieser
Verdrängung für die Opfer – setzt sich der DEFA-Kriminalfilm CHRONIK
EINES MORDES (DDR 1964) von Joachim Hasler auseinander. Angelica Domröse
spielt die Jüdin Ruth Bodenheim, deren Famile von dem SA-Mann
Zwischenzahl ermordet wurde. Als dieser nach dem Krieg zum Bürgermeister
ihrer Stadt gewählt wird, begeht sie die im Filmtitel benannte Tat. Der
Filmhistoriker Detlef Kannapin führt in den Film ein.
Gemeinsam mit dem Lichtblick Kino zeigt das Festival zum Abschluss am
18. Oktober, dem 40. Todestag von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und
Jan-Carl Raspe, den Episodenfilm DEUTSCHLAND IM HERBST (D 1978 von R.W.
Fassbinder, Volker Schlöndorff, Alexander Kluge, Edgar Reitz, Katja
Rupé, Alf Brustellin, Berhnhard Sinkel u.a.). Anschliessend findet eine
Diskussion mit Zeitzeugen des „deutschen Herbstes“ statt.
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