[spectre] STIPENDIENVERGABE 2010 / STIPENDS 2010
Edith-Russ-Haus
Info at edith-russ-haus.de
Fri May 7 17:19:06 CEST 2010
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Vergabe der Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst 2010
The Foundation of Lower Saxony Media Artist in Residence Programme
2010
am Edith-Ruß-Haus für Medienkunst / Edith-Russ-Site for Media Art
Oldenburg
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Die Preisträger:
Ralf Baecker, Deutschland
HeHe (Helen Evans / Heiko Hansen), Frankreich / Deutschland /
Großbritannien
Anahita Razmi, Deutschland
Die Jury:
Andy Cameron, Direktor fabrica - The Benetton Group Communications
Research Center (Treviso, Italien)
Susan Collins, Künstlerin (London)
KH Jeron, Künstler (Berlin)
Sabine Himmelsbach, Leiterin Edith-Ruß-Haus für Medienkunst (Oldenburg)
/ Ingmar Lähnemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Edith-Ruß-Haus für
Medienkunst (Oldenburg)
Steve Dietz, Künstlerischer Leiter 01SJ Biennial (San Jose)
Die Stellungnahme der Jury zu den Preisträgern
Ralf Baecker
Crystal Set [Kristalldetektor]
Crystal Set ist ein elektronischer Apparat, der vollständig aus
natürlichen Materialien mit besonderen elektronischen Eigenschaften
gebaut ist: aus Kristallen mit halbleitenden Eigenschaften wie z.B.
Silizium, Germanium und Pyrit, ebenso aus Wolframfäden, Platin, Eisen,
Kupfer, Magnesium, Phosphor und Bernstein. Diese Rohstoffe werden zu
einem elektronischen Schaltkreis verbunden, der ein fortlaufendes System
in Gang setzt und den klassischen Algorithmus des *Game of Life*
berechnet, der auf einem Bildschirm sichtbar wird.
Die Jury hat beeindruckt, wie sich in Crystal Set [Kristalldetektor]
ein elegantes Hybrid aus Natur und Technologie verkörpert und wie dies
in atemberaubender Weise entscheidende Meilensteine der Geschichte der
Technologie evoziert. Als vollentwickeltes und funktionierendes
digitales System gelingt es Crystal Set Wissenschaft und Kunst mühelos
zu vereinen und mathematische Logik, künstliches Leben, Physik und
Chemie in einer schlüssigen ästhetischen Ausdrucksform
zusammenzubringen. Das Werk repräsentiert einen Fortschritt in der
künstlerischen Entwicklung dieses aufregenden jungen deutschen
Künstlers - insbesondere ein Bewusstsein für die Geschichte des
Computerwesens wie bereits vorher in seiner monumentalen kinetischen
Skulptur "Rechnender Raum".
HeHe (Helen Evans und Heiko Hansen)
The China Syndrome [Das Chinasyndrom]
Die Installation The China Syndrom [Das Chinasyndrom] simuliert im
Modellmaßstab eine nukleare Kernschmelze in einer postindustriellen
Unterwasserlandschaft. Die Installation erkundet zwei vielleicht
erschreckende, doch zugleich extrem verführerische Gebilde, die hier in
einem Performance-Theater en miniature verschmelzen: die
Kühlturmarchitektur eines Atomkraftwerks und der Atompilz einer
Atomexplosion. Umgesetzt wird die Simulation durch eine kontrollierte
Manipulation von Flüssigkeiten in einem Aquarium, die synchron zu einer
vorprogrammiertem Licht- und Soundpartitur abläuft. Diese
*Katastrophenmaschine* gehört zu einer fortlaufenden Reihe von
Arbeiten zur Symbolik von Menschen gemachter Wolken.
Die Jury fand, dass The China Syndrome die Katastrophe einer
Atomexplosion in einen für Menschen nachvollziehbaren Maßstab umsetzen
kann. Das Performance-Theater en miniature bietet unterschiedliche
Interpretationsebenen im Kontext zweier konkurrierender Sprachen - der
Sprache der Kunst und der Sprache der Wissenschaft. Beide versuchen eine
mögliche Realität darzustellen. Es geht um ein Experiment mit
unberechenbarem Ausgang. Anstatt ein Objekt zu schaffen, konzentriert
sich The China Syndrome auf die Simulation einer Katastrophe in einer
laborähnlichen Situation. Die Installation entwirft ihren eigenen
Welt-Raum, ihre eigene fantasievolle Umwelt. Unsere Wahrnehmungen der
realen Welt werden auf spielerische Weise in Frage gestellt. Heute
bezieht sich die Metapher *Chinasyndrom* auch auf die Finanzkrise.
Entsprechend könnten die Kernschmelze der Wirtschaftssysteme und der
Ausbruch aus der Eindämmungspolitik gemeint sein.
Anahita Razmi
Road Trip und Videoinstallation
*Ich werde versuchen einen Peykan (Paykan), die im Iran gebräuchlichste
Automarke, nach Europa zu importieren. Der Peykan, ursprünglich der
britische Hillman Hunter, ist heute außerhalb Irans kaum mehr zu finden.
2009 wurde ein gebrauchter Peykan während einer Ebay-Auktion für die
unglaubliche Summe von gut 40.000$ versteigert. Im Iran zahlt man für
einen Peykan ungefähr 700$. Ich nehme den ikonischen Wert, den der Wagen
erhält, sobald er die iranische Grenze überquert, zum Ausgangspunkt des
Projekts: so etwas wie ein *iranisch-englischer Peykan* im Kontext der
islamischen Republik Iran, als Anspielung auf Simon Starlings
*polnisch-italienischen Fiat*, bei dem auf ähnliche Weise mit
Grenzverschiebungen und Ursprüngen umgegangen wird. Ein reizvoller
Aspekt meiner Export-Reise ergibt sich aus weiteren kulturellen Bezügen.
Ich werde ein Video/einen Film von der Reise drehen, in dem ich Sampling
und Collage einsetze, um das tatsächliche *Abenteuer* mit dem Genre
des amerikanischen Roadmovies zu kontrastieren und ebenso mit
ambivalenten Bezugspunkten wie dem Film No Sex Last Night von Sophie
Calle und Greg Shepard.* (Razmi)
Humor und Abenteuerlichkeit dieses Vorschlags stießen bei der Jury auf
einhellige Begeisterung. Gestützt auf ein ausgeprägtes Kulturbewusstsein
überschreitet Razmi in ihrer Darstellung eines Road Trips vom Iran bis
nach Oldenburg geradezu buchstäblich Grenzen. Die aktuelle Reise
verweist, wenn hier durch eine Mischung aus Humor, menschlicher
Interaktion und eigentlichen Transaktionen die Arbeit (und das Auto)
nach Europa und in das Edith-Ruß-Haus gebracht wird, auf die lange
Tradition des Road Trips im amerikanischen Film. Das Projekt
repräsentiert einen anspruchsvollen weiteren Schritt in der
Entwicklung von Razmis bereits gewichtigem Schaffenswerk, das sich
zahlreicher Strategien und Medien, einschließlich Performance und
performativer Objekte, bedient.
Stiftung Niedersachsen
Die Stiftung Niedersachsen fördert das Stipendienprogramm des
Edith-Ruß-Hauses kontinuierlich seit 2001. Längst ist das Programm zu
einem Aushängeschild des Edith-Ruß-Hauses geworden. Viele der in
Oldenburg entstandenen Arbeiten wurden nach ihrer Realisierung in
internationalen Ausstellungen präsentiert und mit Preisen
ausgezeichnet.
Mit ihrer Förderung will die Stiftung Niedersachsen eines der führenden
Häuser für Medienkunst in Deutschland nachhaltig stärken, seine an
Qualität orientierte Profilierung unterstützen, um so die Schaffung von
Kunst zu ermöglichen und internationale Vernetzungen und lokale
Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Edith-Ruß-Haus für Medienkunst
Peterstraße 23
26121 Oldenburg
Deutschland
t. +49 (0)441 235 32 08
f. +49 (0)441 235 21 61
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The awardees:
Ralf Baecker, Germany
HeHe (Helen Evans / Heiko Hansen), France / Germany/ Great Britain
Anahita Razmi, Germany
The jury:
Andy Cameron, Director fabrica - The Benetton Group Communications
Research Center (Treviso, Italien)
Susan Collins, artist (London)
KH Jeron, artist (Berlin)
Sabine Himmelsbach, artist director Edith-Ruß-Haus für Medienkunst
(Oldenburg) / Ingmar Lähnemann, assistant curator, Edith-Ruß-Haus für
Medienkunst (Oldenburg)
Steve Dietz, artistic director, 01SJ Biennial (San Jose)
Jury statement
Ralf Baecker
Crystal Set
Crystal Set is an electronic apparatus built entirely from natural
materials with special electronic properties: crystals with
semi-conducting behavior such as silicon, germanium, and pyrite, as well
as wolfram wires, platinum, iron, copper, magnesium, phosphor and amber.
These resources are arranged into an electronic circuit that activates a
processing system and calculates the classic *game of life*
algorithm, which will be visible on a screen.
The jury was impressed by the way in which Crystal Set represents an
elegant hybrid of the natural and the technological and serves as a
stunning evocation of key milestones in the history of technology. As a
fully fledged and functioning digital system, Crystal Set effortlessly
unites science and art and succeeds in bringing together mathematics,
logic, artificial life, physics and chemistry into a coherent aesthetic
expression. The piece represents a development of the practice of this
exciting young German artist - in particular a concern with the history
of computing, previously explored in his monumental kinetic sculpture,
Rechnender Raum.
HeHe (Helen Evans and Heiko Hansen)
The China Syndrome
The China Syndrome is an installation simulating a nuclear meltdown on
a model scale in an underwater post-industrial landscape. The
installation is an exploration of two perhaps frightening, but highly
seductive forms merged into one mini performance theatre: the cooling
tower architecture of a nuclear power plant and the atomic mushroom
explosion. The simulation is achieved though the controlled manipulation
of fluids in an aquarium, synchronized with a score of pre-programmed
light and sound. This "disaster machine" is part of an ongoing series of
works on the symbolism of manmade clouds.
The jury felt that The China Syndrome brings the disaster of an atomic
explosion to a human readable scale. The miniature performance theatre
provides several layers of interpretation with two competing languages -
the language of art and the language of science. Both try to describe a
possible reality. It is an experiment with an unpredictable result.
Instead of creating an object, The China Syndrome focuses on the
simulation of the disaster in a laboratory like situation. The
installation create their own world-space, their own fanciful
environment. Our perceptions of the physical reality are questioned in a
playful manner. Today the metaphor China Syndrome also refers to the
financial crisis. It could be the economies melting down and breaking
out of the containment.
Anahita Razmi
Road trip and video installation
I will attempt to import a Peykan, the most common Iranian car to
Europe. The Peykan originates from the British Hillman Hunter and is
very rarely found outside of Iran today. On a U.S. Ebay auction in 2009,
a used Peykan sold for the incredible price of around $40,000. In Iran
you get a Peykan for approximately $700. This iconic value, which is
added to the car as soon as it crosses the Iranian Border, will be my
starting point for the project, a kind of *Iranian-English Peykan*
in the context of the Islamic Republic Iran, in reference to Simon
Starling*s *Polish-Italian Fiat,* which deals in a similar way
with border shifts and origins. Other cultural references form an
exciting aspect of my export trip. I will make a video/film of the
journey, using sampling and collage to contrast the original
*adventure* with the genre of American *road movie,* as well
as ambivalent reference points such as Sophie Calle*s and Greg
Shepard*s film No Sex Last Night.
The jury was unanimously excited by the humor and adventurousness in
this proposal. Drawing on a sharp cultural awareness, Razmi quite
literally crosses borders in her enacting of a road trip from Iran to
Oldenburg. This contemporary journey references a long history of road
trips in American film using a combination of humor, human interaction,
and transactions to bring the work (and the car) to Europe and the Edith
Russ House. The project represents a challenging next step for Razmi in
the development of an already strong body of work which employs a range
of strategies and media involving performance and performative objects.
Edith-Ruß-Haus für Medienkunst
Edith Russ Site for Media Art
Peterstraße 23
26121 Oldenburg
Germany
t. +49 (0)441 235 32 08
f. +49 (0)441 235 21 61
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