[spectre] Playmais-Materialismus?

Matze Schmidt matze.schmidt at n0name.de
Mon Mar 2 11:44:34 CET 2015


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n0name newsletter 165 Mo., 02.02.2015 11:20 CET

*Inhalt/Contents*

1. Playmais-Materialismus?
   Interview mit Toshimaru über ZENismus und Dispositive als Dispo

ca. 6 DIN A4-Seiten

http://n0name.de/news/news165.txt

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1.

Playmais-Materialismus?

Interview mit Toshimaru über ZENismus und Dispositive als Dispo


(Umlaute!)
Unicode (UTF-8)


Matze Schmidt: Am Montag spielst Du in Berlin in einer für Dich 
ungewöhnlichen Besetzung.

Toshimaru: So ungewöhnlich ist die nicht. Dass wir jetzt das fast 
schon traditionelle Instrument E-Gitarre neben den Maschinen in den 
Klang integrieren, ist kein Defizit. Im Gegenteil, versuchen wir das 
Konzept dieser aktiven Passivität der Maschine gegenüber etwas zu 
unterlaufen.

Also ist Zen nicht mehr der wichtigste Bezugspunkt?

Du hast doch für radi0.tv diesen ganz neuen Track online gestellt, auf 
dieses Erfolgsportal Soundcloud. Dort werden die Worte No Input als 
Tag in Hashtag "no" und Hashtag "input" aufgesplittet. Eine gute 
Taktik, die Automatismen das Semantische mit-entscheiden zu lassen und 
das auch zu zeigen. Diese ganze Nietzscheanische Herangehensweise, der 
Überhöhung und Stilisierung des Typewriter nervt ja nur noch. Das war 
immer der Versuch, Evidenzen doch noch zu entkommen, also dem 
Offensichtlichen in Kunst zu entweichen.

Und das wäre nun vorbei?

Ich glaube jede neue Generation wird die Verdrängungen neu erkennen 
müssen. Die Atomkatastrophen sind in Japan der Ursprung des Mythos aus 
der Technik. Wir können hier nichts kontrollieren, darum dann diese 
Unversicherung und Affirmation zugleich. Statt das Herstellen zu 
erneuern, wird es ästhetisch gemacht.

Mh, ja. Die Technologietheorie hat Produktion aufs Technische 
gemittelt und anthropologisiert. Nochmal zu Instrument, Maschine und 
Ausdruck. Siehst Du da ein gewandeltes Verhältnis?

Ich weiß nicht genau. Klar ist, dass die Expressionismen, wie sie von 
Noise-Leuten hier und da gepflegt werden nicht mehr ausreichen. Es ist 
mittlerweile jedem deutlich, dass ein dekonstruiertes Dispositiv 
und das sich Verhalten dazu und basteln daran interessante 
wie-auch-immer-punkige Sounds macht. Das macht aber noch keine 
neue Industrie aus.

Man überschätzt sich. Aber der hörbare Sound und der 
Herstellungsprozess, Machen und Ergebnis fallen dabei doch 
auseinander. Kann man damit nicht arbeiten?

Warum sollte man das denn wieder zusammenfügen wollen. Zen war oder 
ist doch gerade der Versuch das auseinandergefallene Gesellschaftliche 
wieder zu vereinen. Aber nicht auf der Ebene freier reflektierter 
Entfaltung, sondern auf der Versöhnung von Natur und Kultur. Ich sehe 
aber da keine Versöhnung, weil diese nur in der Kunst gelaufen ist.

Romantik?

Ja, Neo-Neo-Romantik vielleicht. Nicht in den realen 
Herstellungsprozessen für alle möglichen Güter sollen Natur, Kultur, 
Technik ausbalanciert werden, das soll nur auf der Bühne geschehen.

Und wenn das konsequenter kritisiert werden soll, müsste man die Bühne
verlassen?

Ich glaube ja. Das Format Konzert sollte als Spielen aufgefasst 
werden, und Spielen als funktionaler Ansatz der Vermittlung. Die 
Klang- und Radio-Labors sind im Basteln versunken und bleiben im 
geschützten Biotop direkter Zwischenmenschlichkeit. Warum sollte ich 
diese Inseln weiter wie Robinson beschallen?

Was hältst Du von der offiziellen deutschen Klangkunst?

Die ist ziemlich getrieben in Richtung Technikprimat und Bedingungen. 
Die steht für sich. Lötworkshops sind doch keine Lösung, wenn die 
Repräsentativisten der Schönheit das Sagen haben. Diese Relaxtheit 
sollten wir aufgeben, wir sollten uns dem Klang nicht einfach nur 
hingeben. Jede Nuance hat ihre Berechtigung aber auch ihren Kontext, 
je nach dem.

Und Shin, also Stille hilft auch nicht?

Shin, hehe. Sollte sich jeder mal gönnen.

Aber nicht als Gesamtkonzept für den Klangraum.

Ja, der Klangraum ist alles. Das ist aber nicht kosmologisch gemeint.

Toshi, es gibt diese Ideophone im japanischen Comic -- liest Du Mangas?

Nein, wenig.

Mh, wenn zum Beispiel dieses "shiin" etwas nicht Hörbarem einen Sound 
gibt, wäre ein solcher Klangsymbolismus nicht der Ansatz, Reflektion 
und improvisierte Aussage zu mixen?

Tara-tara, toro-toro. Ja, Reflektion und Impro. Aber nur wieder in der 
Meta-Sprache. 

Was heißt Tara-tara, toro-toro?

Eine Lautverschiebung. Tara-tara bedeutet etwas Dickes Cremiges 
Tröpfelndes, toro-toro heißt dickflüssig.

Ah, eine Spitzfindigkeit, Genauigkeit.

Ich meine, man sollte auf Strukturen gehen. Zum Beispiel Orchester für 
sich abschaffen, den Klang des Zuhörens wieder brechen, denn Zuhören 
macht den Klang, und jeder, der spielt, ist der erste Zuhörer. Ich 
glaube nicht, dass alles einen Klang hat. Obwohl ein solcher Glaube 
entgegen der christlichen Antisensualität schon ganz gut tut. Aber 
diese Idee, der Kosmos und alles, klinge in sich, weist jedem 
historisch gewordenen Ding und den Zusammenhängen das selbe 
geschlossene Konzept zu.

Aber wäre das, so ein materialistischer Klangsymbolismus, nicht das 
vermessene Gegenstück zur Aufhebung der schrecklichen, unberechenbaren 
Wirklichkeit in der Hochkultur? Die Aufhebung von Machen und 
Konsumieren kann man doch nicht künstlich erzwingen.

Doch, das müssen wir. Um daraufhinzuweisen, dass virtuoses Spiel und 
kein Onkyo gegen manipulativen Dauersoundtrack und Flucht-Beschallung 
etwas ausrichten kann, wenn sie lediglich Rückzüge sind.

Also wäre die buddhistische Seite des Zen einer Kritik auszusetzen?

Das europäische Dispositiv ist bestenfalls zum intellektuellen Dispo 
geworden, oder? Damit kann man sich in die akademische Medienwelt 
einkaufen. Die materiale Seite von Zen wäre weiterhin spannend. Zu 
sagen, es gibt keinen No Input wäre beinahe zu wenig, weil es bloß den 
Bezugpunkt wechselt. Für den Mann am Mixer ohne Eingangssignal gibt es 
kein bedeutungsvolles oder irgendwie geordnetes Signal von Außen. Das 
verweist ja nicht nur auf die Flucht -- positive Flucht vor dem 
Beschallungsterror. Es verweist auch auf die Elektrizität und das 
Gerät, aus der das Signal und der Ton gemacht wird.

Also mit dem neuen Interesse am Materialismus, ohne metaphysische 
Transzendenz, eine ästhetische Sensibilisierung für veränderbare 
Seinsgegebenheiten. Jeder No-Input Mixer muss die Schallwandlung aber 
mitbedenken. Also wäre an dieser Stelle No Input eine Art 
materialistische Denkweise?

Mh, wenn zu sagen "es gibt keinen No Input" nicht reicht, kann man 
auch sagen "ohne Material kein Output". Der No Input Mixer hat ja 
einen Input, nur einen vor dem Schall, etwas bevor etwas etwas 
bedeuten könnte, so als handele es sich um reines Material, als sei 
es das Grundexistentielle. Die Bezeichnung No Input will nur plakativ 
sagen, was es nicht weiß. Dass es auf elektrischen Strom ...

Die Metaphorik der Elektrizität.

... angewiesen ist und Draht und Papier und so weiter, und hier 
akustische Signale in elektrische Signale und umgekehrt gewandelt 
werden. Eine relativ einsichtige Form, pure Form (!) der Demonstration 
des Technik-Natur-Verhältnisses. Fast schon ein Physikbaukasten. Das 
Resultat, dieses Feedbackgeknackse und Fiepsen, ist faszinierend, aber 
relativ unwichtig. Dieses Resultat muss man eventuell wieder wichtig 
machen und nicht allein die Bespielung thematisieren.

Feedbackmixing vom existentialstischen Wieso und Weshalb befreit.

Ja, Vergegenwärtigung ohne Ich-ich-ich-Versenkung. Der 
Instrumentalismus hört immer nur den kommenden Ausgang, das was 
narzisstisch zu sagen wäre. Die entmystifizierte Maschine kann zum 
narzisstischen Instrument werden. Aber da streiten sich die Modelle 
vom Subjekt. Wäre das Instrument nun das Gerät des sich mit anderen 
verwirklichende Individuum oder verwirklichende Subjekt, oder sagt 
das Subjekt immer nur das, was bereits angesagt ist? Spielt die 
Maschine oder ihr Programmierer als Graue Eminenz, und wird 
Reprogrammierung mit Retraining und mit den Verhältnissen verwechselt?

Gut, auf die neue Relationalität von Maschine und Mensch sind wir ja 
zur Genüge vorbereitet worden. Die breite Medienaufmerksamkeit mit 
dem schwulen Turing als Vertreter der erweiterten Diversity in The 
Imitation Game, der hitchBOT und vor Jahren die Cyberpunk und 
Cyborggeschichten zielen allein nicht nur auf die Akzeptanz der 
Maschine als ebenbürtiger Einheit, wie ein R2D2. Sie zielen auch auf 
eine Abgrenzung von ihr, als Spezies, welche die Automatisierung 
erkennt, ohne sie zur Bedrohung zu erhöhen. Aber Turings Affront ist 
weniger das der Maschine, die war als Untergeordnetes mit Eigendynamik 
schon lange bekannt, sondern, dass menschliches Tun simulierbar ist.

Ja, wenn wir über die Klänge, die wie Blumengestecke und 
Kreuzworträtsel funktionieren sollen hinauskommen wollen, wäre von der 
Naturalisierung von Technik abzusehen. Was ein ganz wichtiges, sagen 
wir Training wäre. Denn Sounds ändern an banalen Tatsachen wie 
Geldverdienen, Abwaschen Kommando nichts direkt, höchstens zur 
Arbeitserleichterung taugen sie. Ich denke, solange der maschinellen 
Eigendynamik kein Eigensinn zugewiesen wird, müssen sich die 
wirklichen Roboter, Arbeiter, keine Sorgen um ihre Ausbeutung machen.

Zdenek Pešánek hatte für die Edison Transformatorenstation in Prag 
eine Lichtskulptur entworfen. In der Nationalgalerie in Prag wird das 
Brummen der Transformatoren hinter Holzplatten simuliert und das 
Perpetuum mobile damit wieder hervorgeholt.

Ja, sie holen das Perpetuum mobile raus und zeigen zwar so 
stahlträgerartige Formen und Glas, Zeichen der Moderne. Aber eben der 
so genannten Moderne. Wenn ich Hand anlege an die Regler, setze ich 
mich wenigstens ins Verhältnis zum Produkt. Vergessen wir nicht, 
Futurismus ist kein Mainstream, er ist nur akzeptiert in eine seiner 
Erscheinungen, so wie der Kies im Garten, den der 
Grundstückseigentümer am Wochenende recht. Der Gegensatz Sprache und 
Sound ist ein falscher. Die Strukturierungsmomente und die Verweise 
sind entscheidend, nicht das fixum. Der Verweis muss überhaupt wieder 
in den abstrakten HipHop hinein.

HipHop?

Ja. Genres sind erstmal völlig zu vernachlässigen, weil sie ja heute 
alle greifbar sind, nutzbar sind. Instrumental-HipHop gab keine 
musikalische Basis für einen Rap mehr her. Und Noise ist auch eine 
Reaktion darauf, weil darin immer noch Gestus war. Aber Noise ist 
kein Universalgenre, das alle anderen frisst. Diese essentialische 
Klangharmonie, angeblich ohne die bisherigen Muster der Musiken, ist 
nur tendenziell Leere. Das kann man daran erkennen, dass Noise immer 
voll voll voll ist. Je mehr Schallquellen oder Signale, um so besser, 
desto mehr Komplexität lässt sich für den Bediener erreichen. Die 
materielle Basis ist selbstverständlich gegeben und ausschlaggebend 
für das Ergebnis, das sich durchaus von der Tonalität unterscheidet 
und etwas anderes will. Oder eben Wollen nicht will. Aber es wird 
wohl nicht genügen, dem ganzen Dröhnen einfach die richtigen Messages 
zuzumischen, um wieder politisch zu werden.

Ja, denn neben dem Warum man solchen Klang macht, machen lässt, wenn 
man nicht ins Fummeln mit Playmais verfallen will oder die wunderbar 
freie anarchische Beliebigkeit unbegrifflicher 
Kreuzworträtsel-Kombinatorik ...

Die aber auch begrifflich produktiv wirken kann.

... aber es wird assoziativistisch. Wenn etwa das Querwort zu 
Japanisch sagen wir Schnee lauten kann oder zum Beispiel Andreas, 
liegen verschiedene Assoziationen vor, die gleichwertig erscheinen, 
aber inhaltlich weit auseinanderliegen.

Gut nehmen wir, weil das für Spielsituationen als öffnender Score 
genutzt werden kann Kreuzworträtsel und das Wort Japanisch. In 
Kreuzworträtseln gibt es immer Reste zwischen den Feldern. Das kann 
ein SA sein, ein HH, ein HT oder soetwas. Dafür ...

Für etwas, das nichts bedeutet, bezeichnet.

... würde sich eine lettristische Strömung des Noise interessieren. 
Lettern als Material und Bedingung. Eine solche Strömung existiert 
aber vielleicht garnicht. Weil der radikale Krach, Verweigerung, 
abstrakte Formel, sich sogar noch der Bewertung des Randständigen 
entzieht. HH oder HT bedeuten dann nichts mehr, außer sich selbst 
zu sein.

Wenn es dieses Sich übergeordneter Eigenbewegung denn gibt. Die 
kritischen Realisten benötigten immer etwas, das schon denonativ, 
konnotativ besetzt war, noch nicht zerlegt und 'gestört' war, um es 
zu zerlegen. Das macht sie zu Formalisten, die abhängig vom 
Gegebenen, dessen Zusammenhang nicht erkennen. Was wiederum hilft, 
die Grammatiken zu verstehen.

Daran erkennt man aber auch ihren Befreiungsmessianismus, ihr 
Zerhacken. Wenn kein Sujet mehr vorliegt, kann nichts zerstört 
werden. Wenn keines angestrebt wird, gibt es kein Aussage mehr, 
außer der des zu leugnenden Kontextes der Musiken. Wird sogar dieser 
Nicht-Kontext aufgegeben, liegt dieser nicht vor, stünden die Dinge 
frei und wären, was sie an sich sind. Ein Stein, ein Tintenstrich, 
ein Zwirbeln.

Genau das war ja mit Playmais gemeint. Man kann alles ohne 
geschichtlichen Zusammenhang bauen, aber es bleibt ohne Relevanz 
außerhalb des Spiels.

Ist nur Spiel.

Ja.

Kann aber zu etwas führen.



Toshimaru und Matzu spielen mit dem Transnational Noise Orchestra am 
2. März im Madame Claude in der Lübbener Str. 19 in Berlin.





Real Improvised       from Japan®


+?? YaHei

Toshimaru + Matzu

We're happy that there is no No-Input there. Since a signal 
is a meta of sound and not of off. We're also sorry 
that there is no Oke <Orchestra> and no Toshimaru here, 
a „who is who“ actually from Japan and your own projection.

We're happy that there is No-Input there. Since a signal 
is a signal of meta thus of hyperspiritual sound. We're also 
happy that there is this Oke <orchestra> and a Toshimaru 
here, who is actually from another land. We play NoNo-Input 
and Anti-Noise.

We're happy that there is no No-Input there. Since a signal 
is a signal of matter and not of spiritual sound. We're also 
sorry that there is no Orchestra <Oke> but a Toshimaru here, 
a „who is who“ actually from  •  and your own projection.

We're sorry that there is no No-Input there. Since a signal 
is a meta of matter and not of geist. We're also sorry 
that there is no philharmonic but a Toshimaru here, 
one „who is who“ actually not from • (<- red dot) or your
own projection.

Toshimaru + Matzu & The Transnational Noise Orchestra at
Madame Claude (Berlin) Mar 2, 2015 http://www.madameclaude.de/events/experimontag-63/

Printflyer (PDF) http://n0name.de/radio/eflyer/toshimarumatzuflyer.pdf

https://soundcloud.com/radi0tv/there-is-no-no-input


www.radi0.tv Web Safe #0000FF


Danke an Krach der Roboter


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