[spectre] (fwd) Grants for Media Art of the Foundation of Lower Saxony at the Edith-Russ-Haus 2021
Andreas Broeckmann
ab at mikro.in-berlin.de
Fri May 21 15:22:48 CEST 2021
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Die Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am
Edith-Russ-Haus 2021
Wir freuen uns, die Vergabe der Stipendien an Jim Jasper Lumbera, Hira
Nabiund Rana Hamadehbekanntzugeben.
Die Jury, die ihre Entscheidungen im Rahmen einer Online-Sitzung traf,
bestand aus:
* Emily Pethick, Leiterin der Rijksakademie, Amsterdam
* Cosmin Costinas, Leiter von Para Site, Hong Kong
* Edit Molnár, Leiterin des Edith-Russ-Hauses, Oldenburg
* Marcel Schwierin, Leiter des Edith-Russ-Hauses, Oldenburg
Jurystatement
Die diesjährigen Bewerbungen um das Stipendium für Medienkunst der
Stiftung Niedersachsen im Edith-Russ-Haus war nicht einfach. Nicht nur,
dass wir die bisher größte Anzahl an Bewerbungen erhalten haben, auch
die hohe Qualität der Einreichungen machte die Entscheidung über die
letzten drei Preisträger schwierig. Diese Aufgabe brachte der Jury aber
auch eine große intellektuelle Bereicherung beim Nachdenken über die
vorgeschlagenen Projekte.
Viele der künstlerischen Projekte wurden unter dem Druck und den
Bedingungen der laufenden Pandemie geplant, aber ihre Interessen und
Anliegen gingen weit über deren Grenzen hinaus und stellten
ambitionierte Versuche dar, über große Themenfelder nachzudenken. Wir
entdeckten mehrere wiederkehrende Themen, wie zum Beispiel sich
verändernde Zukunftsszenarien vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe,
die Herausforderungen der Migrationsbewegungen, die Transformation des
Kunstobjekts in Bezug auf den Status des Museums in einer postkolonialen
Kulturlandschaft, mentale Fragilität und die Möglichkeiten für neue
Formen der Verbundenheit.
Rana Hamadeh: Just Machines
Der ambitionierte Antrag von Rana Hamadeh berührte mehrere dieser
Themen. Sie wird ihre vorgeschlagene Arbeit, Just Machines, eine
Mehrkanal-Videoinstallation, während des gesamten Jahres 2021 als Teil
des Dachprojekts The Destiny Projectentwickeln. Die Künstlerin schreibt:
„Das Projekt untersucht insbesondere die Produktion, den Konsum, die
Zirkulation und die Artikulation von ,Begehren‘ innerhalb des
zeitgenössischen globalen öffentlichen Diskurses. Es richtet sich auf
die Ökonomien, Technologien und Schicksale/Destinationen,öffentlicher
Begehrlichkeiten‘, wie sie sich in Bereichen wie Finanzen, KI,
prädiktiver Analytik und den aufkommenden Praktiken rund um
algorithmische Gerechtigkeit manifestieren.“
Die Jury war besonders an ihrem Ansatz interessiert, zeitgenössische
Fragestellungen durch die Überarbeitung von historischem Material
anzusprechen und dabei mit visuellen Sprachen zu experimentieren, um so
ein neues Vokabular zu etablieren, welches Mythologien und neue
Technologien verbindet. In dieser speziellen Arbeit wird Hamadeh die
vernetzten Strukturen der sophokleischen Tragödie Oedipus Rex in eine
Reihe von virtuellen Räumen und Szenen übersetzen.
Ihre Arbeit zielt auf Komplexität – anstatt Dinge zu destillieren und
herunterzubrechen –, um eine Erfahrung der unzähligen Verflechtungen des
Lebens zu ermöglichen. Just Machinessetzt die kontinuierliche
Auseinandersetzung der Künstlerin mit den sprachlichen, rechtlichen und
performativen Infrastrukturen und Technologien der Justiz fort und
wendet sich diesmal der zutiefst relevanten Frage nach dem „Begehren“
als treibender Kraft unserer Gesellschaft zu.
Jim Jasper Lumbera: The Black Dog Which Causes Cholera
Das fantasievolle und kreative Werk von Jim Jasper Lumbera beschäftigt
sich intensiv mit Archiven und Elementen indigener Folklore, um
Erzählungen und Verknüpfungen herzustellen, die in der Gegenwart
relevant sind.
Er bewegt sich gekonnt durch verschiedene Medien und künstlerische
Sprachen und setzt sich sensibel mit spirituellen Praktiken und
Mythologien der Philippinen auseinander.
Der jüngste Teil seines Projekts The Black Dog Which Causes
Cholerabeschäftigt sich mit der kolonialen Geschichte der Philippinen,
zeigt aber auch eigentümliche Resonanzen mit der aktuellen Pandemie.
Lumbera hat 7.000 Bilder von Bewegung und Widerstand gesammelt – sie
zeichnen die Rückeroberung von Gebieten durch Straßenhunde während der
Ausgangssperren 2020 auf den Philippinen nach. Seine Installation wird
das traditionelle Format von 35-mm-Dias mit zeitgenössischen
hochauflösenden Live-Feed-Videobildern kombinieren.
Der Künstler erklärt: „Die Arbeit initiiert die Schaffung einer
Begräbnisstätte für die Geister unserer kolonialen Vergangenheit, die in
den Grenzrahmen des kolonialen Blicks in der Fotografie gefangen sind,
der die Seelen unserer Identität und Geschichte verbarg. Der Vorschlag
beinhaltet den Bau eines Denkmals auf der Massengrabstätte der
Choleraopfer während des Krieges um 1900, in dem Ort, der zufällig meine
Heimatstadt ist und wo ein Vulkan im Herzen des Sees ruht. Das lange
Spektakel meiner Stadt ist die Verfolgung unserer Mythen und ihre
kontinuierliche Manifestation in unserem aktuellen sozialen Klima.“
Das Hauptziel von Lumberas Projekt ist es, die koloniale fotografische
Rahmung unserer zeitgenössischen biometrischen Perspektive zu brechen,
sowie den Fluch des kolonialen Blicks in der Fotografie und der globalen
Geschichte zu identifizieren und aufzuheben.
Auch der humorvolle Unterton von Lumberas Ansatz entging der Jury nicht,
und wir schätzten sein sensibles Geschichtenerzählen durch Bilder.
Lumbera wird das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Joey
Singh entwickeln.
Hira Nabi: How to Love a Tree
„Wie können wir in einer zerstörten Landschaft mit der Natur
koexistieren?“, fragt Hira Nabis neues Projekt, das in Form von zwei
Bewegtbildarbeiten und einem Audiowalk realisiert werden soll. Um den
kollektiven Charakter ihrer Kunst und ihre Bedenken hinsichtlich der
Neuinterpretation der postkolonialen Landschaft in Bezug auf die
verschwindende Wildnis zu unterstreichen, plant Nabi außerdem, einen
Teil ihres Stipendiums zu nutzen, um eine kommunale Aufräumaktion in
Murree (Pakistan) zu organisieren, die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts als Garnisonsstadt und „Hill Station“ (Bergstation) für das
koloniale britische Militär gegründet wurde.
Nabi schreibt: „Was geschah mit diesen Zwischenräumen des englischen
Simulakrums im kolonialen Hinterland? Ich arbeite an einer kurzen
Bewegtbildarbeit mit dem Titel How to Love a Tree, die im Wald und der
umliegenden Stadt Murree spielt. ... Diese Arbeit ist meine Betrachtung
eines Ortes ökologischer Ruinen; sie ist mein Versuch, Erzählungen und
Zeugnisse darüber zusammenzutragen, wie Rohstoffgewinnung und
-erschöpfung befohlen wurden und wie ganze Spezies menschlicher und
nicht-menschlicher Wesen unterjocht wurden, aber nicht ohne ihre Spuren
der Widerstandsfähigkeit zu hinterlassen.“
Mit ihrem neuen Projekt stellt Nabi eine der zentralen Fragen, mit denen
sich derzeit viele junge Künstler beschäftigen: Wie kann die moderne
Gesellschaft eine Beziehung zur Natur aufbauen, die nicht auf den
Prämissen von Beherrschung, Ausbeutung und Zerstörung beruht? How to
Love a Treeerweitert diese zentrale Frage, indem es filmische
Beziehungen und botanische Migrationen in Südostasien erforscht, um zu
versuchen, sich neue soziale Formen und Allianzen vorzustellen.
Das Stipendienprogramm
Ermöglicht durch die Stiftung Niedersachsen hat das Edith-Russ-Haus für
Medienkunst für das Jahr 2021 drei sechsmonatige und mit 12.500 Euro
dotierte Arbeitsstipendien vergeben. Insgesamt hatten sich
483Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt für die Stipendien
beworben.Die Stiftung Niedersachsen fördert das Stipendienprogramm des
Edith-Russ-Hauses kontinuierlich seit 2001. Das Programm ist zu einem
Aushängeschild des Edith-Russ-Hauses geworden. Viele der in Oldenburg
entstandenen Arbeiten wurden nach ihrer Realisierung in internationalen
Ausstellungen präsentiert und mit Preisen ausgezeichnet. Mit ihrer
Förderung will die Stiftung Niedersachsen eines der führenden Häuser für
Medienkunst in Deutschland nachhaltig stärken, seine an Qualität
orientierte Profilierung unterstützen, um so die Schaffung von Kunst zu
ermöglichen und internationale Vernetzungen und lokale Anknüpfungspunkte
zu schaffen.
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Grants for Media Art of the Foundation of Lower Saxony at the
Edith-Russ-Haus 2021
We are pleased to announce that the three award winners are Jim Jasper
Lumbera, Hira Nabi and Rana Hamadeh.
Jury members:
* Emily Pethick, Director of Rijksakademie, Amsterdam
* Cosmin Costinas, Director of Para Site, Hong Kong
* Edit Molnár, Director of Edith-Russ-Haus, Oldenburg
* Marcel Schwierin, Director of Edith-Russ-Haus, Oldenburg
The Jury statement
This year’s applications Grants for Media Art of the Foundation of Lower
Saxony at the Edith-Russ-Haus caused great difficulty for the jury. Not
only did we receive the largest number of applications yet, but the high
quality of the submissions made deciding on the final three recipients
incredibly difficult. However, this task also brought the jury a lot of
intellectual pleasure in thinking about the proposed projects.
Many of the proposals and ideas were forged under the pressures and
conditions of the ongoing pandemic, but their interests and concerns
went far beyond its limitations and presented ambitious attempts to
speculate on rather broad issues. We detected several recurring topics,
such as changing future scenarios under the climate catastrophe, the
challenges of mass migration, the transformation of the art object in
relation to the status of the museum in a postcolonial cultural
landscape, mental fragility, and the possibilities for new forms of
connectedness.
Rana Hamadeh: Just Machines
The ambitious application of Rana Hamadeh touched upon several of these
dominant topics. She will develop her proposed work, Just Machines, a
multichannel video installation, throughout 2021 as part of the umbrella
project The Destiny Project. The artist writes: “The project is
particularly invested in examining the production, consumption,
circulation, and articulation of ‘desire’ within the contemporary global
public discourse. It attunes itself to the economies, technologies, and
destinies/destinations of ‘public desire’ as manifested in fields such
as finance, AI, predictive analytics, and the emergent practices
surrounding algorithmic justice.”
The jury was particularly interested in her attempt to rework historical
materials to address contemporary questions and, while doing so, to
experiment with visual languages to establish a new vocabulary
connecting new technologies and mythologies. In this particular case,
Hamadeh will translate the networked structures of the Sophoclean
tragedy Oedipus Rexinto a series of virtual spaces and scenes.
Her work embraces complexities—rather than distilling and breaking
things down—in order to provide an experience of the myriad
entanglements of life. Just Machinescontinues the artist’s ongoing
scrutiny of the linguistic, legal, and performative infrastructures and
technologies of justice, this time turning to the deeply relevant
question of “desire” as a driving force of our societies.
Jim Jasper Lumbera: The Black Dog Which Causes Cholera
The imaginative and creative oeuvre of Jim Jasper Lumbera thoroughly
engages with archives and elements of Indigenous folklore in order to
produce narratives and connections relevant to the current moment.
He moves comfortably through different mediums and artistic languages,
sensitively engaging with spiritual practices and mythologies of peoples
from the Philippines.
The latest installment of his project The Black Dog Which Causes
Choleraengages with the colonial history of the Philippines, but it also
bears weird resonances with the present pandemic. Lumbera has collected
7,000 images of movement and resistance—specifically, they trace a
reclamation of territory by street dogs during the 2020 lockdown in the
Philippines. His installation will combine the traditional format of 35
mm slides with contemporary high-resolution live-feed video images.
The artist states: “The work initiates the creation of a burial site for
the ghosts of our colonial past, trapped in the border frames of the
colonial gaze in photography that concealed the souls of our identity
and history. The proposal includes construction of a memorial on the
mass grave site of cholera victims during the 1900s war, in what happens
to be my hometown, and where a volcano rests at the heart of the lake.
The long spectacle of my town is the hauntings of our myths, and their
continuous manifestation in our current social climate.”
The main ambition of Lumbera’s project is to break the colonial
photographic framing of our contemporary biometric perspective, as well
as identifying and lifting the curse of the colonial gaze in photography
and global history.
The humorous undertone of Lumbera’s approach was also not lost on the
jury, and we appreciated his sensitive storytelling through images.
Lumbera will develop the proposed project in collaboration with
filmmaker Joey Singh.
Hira Nabi: How to Love a Tree
“How can we coexist with nature in a ruined landscape?” asks Hira
Nabi’snew project, which will be realized in the form of two
moving-image works and an audio walk. To highlight the deeply collective
nature of her art and her concerns regarding the reimagining of the
postcolonial landscape in relation to the disappearing wild, Nabi is
also planning to use part of her grant to organize a communal clean-up
activity in the area of Murree in Pakistan, which was established as a
garrison town and hill station for the colonial British military in the
mid-nineteenth century.
Nabi writes: “What happened to these in-between spaces of English
simulacrum in the colonial hinterlands? I am working on a short moving
image work titled How to Love a Tree, which is set in the forest and
surrounding town of Murree. … This work is my contemplation on a site of
ecological ruin; it is my attempt to gather together narratives and
testimonies for the ways in which extraction and exhaustion have been
commanded, and how entire species of human and nonhuman beings have been
subjugated, but not without leaving behind their own traces of resilience.”
With her new project, Nabi poses one of the central questions that many
of today’s young artists are currently addressing: How can modern
society establish a relationship with nature that is not based on the
premises of domination, exploitation, and destruction? How to Love a
Treeexpands on this central question by researching cinematic relations
and botanical migrations in South East Asia to try to envision new
social forms and alliances.
The grant programme
The Edith-Russ-Haus for Media Art has awarded three six-months work
grants for 2021. 483artists from all over the world have applied for the
grants.The grants of 12.500 Euro are sponsored by Stiftung
Niedersachsen. Stiftung Niedersachsen sponsors the grants at
Edith-Russ-Haus for Media Art continually since 2001. Many of the works
developed in Oldenburg have been shown in international exhibitions and
have been awarded various prizes. With their support Stiftung
Niedersachsen intends to encourage one of the leading sites for media
art in Germany, in its highly qualitative profiling to make art creation
possible and to create international networks as well as local cooperations.
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Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Edith-Russ-Haus for Media Art
Katharinenstr. 23
D-26121 Oldenburg
t. +49 (0) 441 - 235 3208
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