[WOS] Thema fuer WOS?

Susanne Schmidt wos@mikrolisten.de
Sat, 18 Sep 1999 11:02:34 +0200


Moin ;)
=20
> Wau ist nicht der CCC. Auch wenn er wahrscheinlich auf der Fitug-Liste
> diesen Eindruck erweckt.

Gott sei dank ;)
=20
> > Rechthaberei nicht =FCberwinden kann. Ich sehe auch nicht, da=DF der
> > CCC irgend eine Kompetenz zur Reflektion sozialen Hintergrunds und
> > Bedeutung von Softwareentwicklungen allgemein hat, insofern ist
> > seine Bedeutung f=FCr WOS eher marginal.

Soso.. Die Bedeutung des CCC marginal.. Naja.. Ich erinnere mich da an je=
ne
Zeit, als die Post - Gott hab` sie selig - in der Postreform I - III
datenschutzrechtlich grundlegend umstrukturiert wurde - da gab es
Informationen von Datenschutzbeauftragten, CCC-Leuten, FiFF - und kein
Geisteswissenschaftler, kein Journalist schrieb irgendetwas ueber dieses
Problem - insbesondere nicht, welche Tragweite die Umstrukturierung von a=
nalog
nach ISDN hatte. Ich ziehe ehrlich gesagt, eine vielleicht manchmal krude=
 und
uebersteigerte Haltung zu technologischen Entwicklungen einer voelligen,
oeffentlichen Ahnungslosigkeit vor - da sitzen wenigstens Leute, die sich=
 um
diesen Themenbereich KUEMMERN und sich informieren und bereit sind zu HAN=
DELN.=20

Der CCC IST ein soziales Phaenomen - im Rahmen von NGOs oder "neuen sozia=
len
Bewegungen" nimmt er einen kleinen, aber wichtigen Stellenwert als ein
politisches Verstaendnis von Technologie ein. Umgekehrt zeichnet den CCC =
eine
nette Wechselseitigkeit aus: Technologie ist politisch - und umgekehrt ma=
che
ich mit Technik Politik, um es mal pointiert zu formulieren. Lieber drei
durchgeknallte CCCler, die allerbestens informiert sind als 10 verschnarc=
hte
Sozialwissenschaftler (Ja, bin ich auch ;) die leider so rein gar nicht
verstanden haben, was es nun genau mit Linux beispielsweise auf sich hat.
Muell trennen ok - aber ein anderes Betriebssystem - das ist mir dann doc=
h zu
muehsam ;) Ich kann es nicht mehr sehen/hoeren/lesen.=20


> Das aendert aber nichts an der Tatsache, dass
> es im CCC ein Netz von kompetenten Leuten gibt, die teilweise schon
> seit 10 Jahren mit freier Software arbeiten, und technische Kompetenz
> halte ich einfach fuer eine wichtige Voraussetzung fuer
> Technikfolgenabschaetzung.

Vorraussetzung ? Es ist absolute Bedingung. Wer bitte will die
gesellschaftliche Konsequenz von etwas abschaetzen, was er nicht kennt ? =
Das
ist nach meiner Erfahrung unter den Gentechnik-KritikerInnen z.B. absolut
selbstverstaendlich, das die ein gewisses, biotechnisches Know-How haben,
sonst bleibt Kritik auf der Ebene von "Gentechnik is scheisse". Sehr
informativ. Ebenso informativ und total relevant sind dann Aussagen wie "=
Das
Internet veraendert die Gesellschaft". Ja. Ui. Holla. Was GENAU am Intern=
et
moeglicherweise oder auch nicht die Gesellschaft veraendert, liegt u.a. d=
arin
begruendet, welche Struktur das Internet vorgibt - und da die heftigst
technisch ist, kann man kompetent nur mit einem gewissen Wissen ueber Int=
ernet
reden.=20

=20
> Die gesellschaftlichen Konsequenzen aus freier Software sind
> indirekte: der Effekt erster Ordnung ist der, dass freie Software
> offensichtlich gegenueber proprietaerer Software oekonomisch
> ueberlegen ist und sich deshalb durchsetzt. Was deshalb merkwuerdig
> ist, weil Software die Angewohnheit hat, sich beliebig oft kopieren zu
> lassen, was dazu fuehrt, dass den Konzernen die Gewalt ueber die
> Produktionsmittel entzogen wird.=20

Das ist ein grosser Irrglaube, dem viele der freien Softwerker erliegen: =
Denk`
mal dran, wieviel freie Software es gaebe, wenn du konsequent nur mit fre=
ier
Hardware arbeiten wuerdest - Das Produktionsmittel "geist/Verstand" mag z=
war
relativ frei und nicht-entfremdet (was ich uebrigens fuer das wichtigste =
an
Freier Software halte) arbeiten - aber die Produktionsmittel Geraete/Werk=
zeuge
sind beileibe nicht frei. Waere nicht 3Com/Cisco und sonstewer leihwillig=
,
saehe ein CCC-Camp sehr alt aus. Und diese Mittel koennen sie aber belieb=
ig
geben und entziehen - ohne freie Hardware kann man nicht davon sprechen, =
das
Konzernen die Gewalt ueber Produktionsmittel entzogen wird.=20

=20
> Und jetzt sind wir auch schon direkt bei dem Punkt, den sich keiner
> traut auszusprechen[0], weil er sonst Widerstand gegen freie Software
> befuerchtet. Freie Software bedeutet Volkseigentum an
> Produktionsmitteln[1], und das nennt man gemeinhin Kommunismus.

Siehe oben. Und DAS allein ist gemeinhin noch nicht ausreichend, um es
Kommunismus zu nennen ;) Und Volkseigentum ist es auch nicht, weil zwar d=
er
Besitz allen offen steht, aber nicht der Gebrauch - Freie Software hat ei=
ne
immense Bildungshuerde: Du musst einen Rechner dir leisten koennen, du mu=
sst
lesen und schreiben koennen, du musst (inzwischen nicht mehr ganz so schl=
imm)
englisch lesen und verstehen koennen, du musst eine immense Geduld aufbri=
ngen,
du musst sehr viel lernen - kurz und gut: Nehmen wir nur diese kleinen
Bedingungen, steht Freie Software schlagartig wieder nur
Industriegesellschaften zum Gebrauch - oder Laendern, die eine industriel=
l
strukturierte "Schicht" haben - wie Mexiko. Sie steht jedem zur Verfuegun=
g -
aber nicht jeder ist in der Lage, sie zu gebrauchen.=20

> sollte offensichtlich sein: in 5 Jahren verfuegt Mexico ueber ein Heer
> von faehigen Programmierern, die eine wirtschaftliche Macht
> darstellen, die der der USA, wo der durchschnittliche Admin gerade
> weiss, wie man NT neu installiert, weit ueberlegen sein wird. China

Das mag formal fuer eine kleine Schicht zutreffen.

> waehnt sich bereits in Phase 2: ein Freund von mir war neulich in
> Fernost, und hat aus China einen (dort hergestellten!) Video-CD-Player
> mit Display in Groesse eine Discmans mitgebracht, der auch CDs mit
> MP3s abspielen konnte. Dort haengen dicke Plakate: MP3 ist Musik fuer
> das Volk.

Ja. Aber "das Volk" in China (wieso zur Hoelle reist der bitte nach China=
 bei
der Strukturierung des Staates ?!) hat a) nicht ueberall Strom, b) nicht
ueberall Geld fuer Geraet, c) lebt in Armut, d) kauft sicherlich nicht da=
s,
was es herstellt, e) wie teuer waere das Geraet fuer einen Chinesen gewes=
en ?
f) und wieviel MP3s stellt der Staat zur Volksberiesleung selbst her ? Al=
a
"Fernseher fuer jeden - aber wir senden das Programm" ?=20


> Im Falle der freien Software ist freie Marktwirtschaft jedoch
> unabdingbar, ja erstere sorgt sogar dafuer, dass sich keine Monopole
> bilden und der Markt sich dem ja durchaus positiv gepraegten
> Idealzustand annaehert. Der Effekt wird durch die Verfuegbarkeit von
> gleichberechtigtem Zugang zu globalen Netzen, die wiederum die Folge
> der Verfuegbarkeit freier Software sind, noch verstaerkt: auch ideale
> Kommunikation ist eine Voraussetzung fuer den idealen Markt.

Ganz so einfach ist es nicht. Welche Marktwirtschaft hast du dabei im Aug=
e
erstens ? Liberale ? Soziale ? Und zweitens ist es ein Irrglaube, das akt=
uell
die Marktwirtschaft voellig frei im klassisch-liberalen SInne sei (Smith)=
 -
ganz im Gegenteil: Sieht man genaure hin, habne sehr viele Staaten, die
gemeinhin als besonders Unternehmsfreundlich gelten sehr vwohl auesserst
strukturierende oder abschottende Gesetztgebungen, die sie mit einer
bestimmten Art von Wirtschaftspolitik unterstutzen. Einer der grossen
Irrtuemer der Globalisierungsdebatte ist, das die Staaten nichts mehr tun
wuerden - das ist schlicht falsch.

> Das Resultat ist also so etwas wie eine Fusion zwischen Kommunismus
> und libertaerer Marktwirtschaft, gekoppelt mit Globalisierung (freie
> Software wird in allen Laendern geschrieben).

Wir haben keine libetaere Marktwirtschaft, sondern tendenzielle eher
neo-liberale. (Friedman und Konsorten).=20

> Und da waeren wir schon bei den Verlierern dieses Spiels: Monopolisten
> (ja, Microsoft ist mein Lieblingsbeispiel), Oligopolisten
> (Plattenfirmen), und Nationalstaaten (die USA spioniert durch
> Hintertueren kommerzieller US-Software, die qua Monopol in feindlichen
> Wirtschaftssystemen wie der EU benutzt werden).

Du bist etwas optimistisch ;) Uebrigens heisst eine Ent-Monopolisierung v=
on M$
noch LANGE nicht, das es dann keine Software-Monopole mehr gibt. Einige
Linux-Juenger finden ja die Sache mit der World Domination (mal ab vom
Ausdruck) ganz klasse - aber derzeit sind die Kritiker dessen, was z.B. R=
ed
HAt als Unternehmen praktiziert noch nicht so richtig laut.=20


> Die Waffen in der Hand der Gegner heissen Copyright, Intellectual
> Property, Patent und Trade Secret.

Sie heissen aber auch: Irre viel Geld verdienen, auf der Seite der
wirtschaftlichen Sieger sein. Tauesch dich nicht, wieviele Leute DAS jede=
m
politischen Gewissen vorziehen ;) Machen wir uns nichts vor: Wir als
Linux-EDVlerInnen koennen es uns schlicht LEISTEN, so eine Wahl zu treffe=
n.
Ich bin von Haus aus Politikwissenschaftlerin - das Privileg zu einem Job
sagen zu koennen "Windows ?! Mach ich nicht" habe ich als kleine, auesser=
st
privilegierte Minderheit, die furchtbar gut verdient. Das gilt es langsam=
 mal
zu hinterfragen. Und: Niemand von uns ist bisher 40 und wird moeglicherwe=
ise
abgewiesen, weil das achso liberale Business uns fuer zu alt haelt.=20

> Der Showdown hat begonnen.

Hm. Naja. ;) Sagen wir: Es wird waermer ;)

Es gibt naemlich noch 100 Dinge, die die Freie Softwareszene zunaechst au=
ch
durchaus mal selbst kritisch beauegen koennte:
- Das wirtschaftliche Privileg
- Den Frauenanteil
- Die Verortung in Industrielaendern
- das englische Sprachmonopol bzw. das ASCII-Zeichensatzmonopol
- Die Gebrauchshuerde
usw. usw.=20


So, icke will heisse Badewanne ;)

Susanne

--=20
                                      Women Wear Linux
                                    banshee@penguins.de
															=09
                           =20


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