[rohrpost] heise online: War die Online-Demo gegen Lufthansa ein Flop?

Krystian Woznicki Krystian Woznicki <krystian@snafu.de>
Thu, 21 Jun 2001 10:43:49 +0200


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von Krystian Woznicki <krystian@snafu.de> gesandt.
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War die Online-Demo gegen Lufthansa ein Flop?

Die Aktion "deportation.class" des Aktionsb=FCndnisses "Kein Mensch ist
illegal", "Libertad!" und weiterer Gruppen aus aller Welt sollte durch ei=
ne
"Online-Demonstration"[1] oder ein "virtuelles Sit-in" die Website der
Lufthansa w=E4hrend der Aktion=E4rshauptversammlung von 10 bis 12 Uhr
"zeitweise" unzug=E4nglich machen. Mit der Aktion wollte man gegen die
Abschiebung von Fl=FCchtlingen durch die Lufthansa protestieren, aber =FC=
ber
die aktuelle Aktion hinaus ging es auch darum, ob b=FCrgerliche Freiheite=
n,
die das Grundgesetz wie Versammlungen oder Demonstrationen gew=E4hrt, auc=
h in
den Cyberspace =FCbertragbar sind.

Erfolgreich im Sinne der Protestierenden war die durch ein Programm zum
automatischen Aufrufen der Website geplante Blockierung nicht. "Wir haben
verst=E4rkt Zugriffe registriert", so Lufthansa- Unternehmenssprecher Tho=
mas
Ellerbeck. In den ersten Minuten der DOS-Attacke habe sich der Aufbau ihr=
er
Site "verlangsamt". Schnell h=E4tten jedoch die Techniker "die Kapazit=E4=
t der
Leitungen erh=F6hnt". Ellerbecks Kollege Martin Riecken sprach gegen=FCbe=
r
Nachrichtenagenturen allerdings davon, in den ersten zehn Minuten sei es
nicht m=F6glich gewesen, die Homepage aufzurufen (Online-Blockade gegen
Lufthansa zeigt kaum Wirkung[2]).=20

Sven Maier von der Onlinedemo erkl=E4rte gegen=FCber Telepolis, Sympathis=
anten
h=E4tten sich w=E4hrend der Blockade gemeldet und berichtet, zeitweise se=
i aus
bestimmten Regionen die Homepage der Kranich-Airline nicht erreichbar
gewesen. Zeitgleich aber teilte man aus anderen Regionen mit, sie sei
unproblematisch aufzurufen. Maier vermutet, mithilfe verschiedener
Breitbandnetze habe die Lufthansa den virtuellen Sturzflug verhindert.
Falls n=F6tig, habe man zwischen den Netzen geswitcht und wohl auch
kurzfristig ganzen Knotenpunkte, Regionen und vermutlich auch den
IP-Nummernraum des Deutschen Forschungs-Netzes (DFN) vom Zugriff auf die
Homepage ausgesperrt. "Wer hinter einer m=F6glichen Blockade zwischen DFN=
-
und Lufthansa-Servern steht, ist nicht bekannt," so Maier. "Auf Kosten de=
r
Funktionalit=E4t versuchte die Lufthansa, das Image des aufstrebenden
Netz-Konzernes und den Schein st=E4ndiger Erreichbarkeit zu retten", mein=
te
Kampagnensprecherin Anne Morell: "Die Webseite glich einem Potemkinschen
Dorf".=20

Unsicher sei auch, so Maier, ob der =E4u=DFere Schein der Homepage nicht
getrogen hat. Er habe etwa versucht, im sicheren Buchungsbereich der
Homepage Fl=FCge zu buchen oder Reiserouten abgefragt. In nahezu allen F=E4=
llen
sei das gescheitert oder er sei wieder auf die Startseite umgeleitet
worden. Maier geht deswegen davon aus, ihre Software habe wunderbar
funktioniert. Und in Anbetracht dessen, dass die Lufthansa wohl "richtig
Kapazit=E4t" und Technik "aufgefahren" habe, sei der Protest ein voller
Erfolg. Alleine schon deswegen, weil das "schmutzige Gesch=E4ft mit der
Abschiebung" =FCber Wochen in den Medien pr=E4sent war und ist.

Mangels gro=DFer St=F6rungen d=FCrfte sich denn auch der Schaden bei der
Lufthansa in Grenzen gehalten haben, auch wenn man sich nat=FCrlich techn=
isch
und personell auf die "Demonstration" vorbereitet hatte. Das
Bundesjustizministerium hatte bereits im Vorfeld gegen=FCber Telepolis[3]=
 die
Rechtm=E4=DFigkeit der Aktion bestritten. Im Cyberspace gebe es kein
Demonstrationsrecht, da hier die Menschen nicht k=F6rperlich anwesend sei=
en.
Bei einer Blockade trete das Strafgesetz in Kraft, die beispielsweise als
Computersabotage gelten w=FCrde. In Spiegel Online[4] nannte J=FCrgen
Weinknecht, bezeichnet als Spezialist f=FCr Medien- und Internetrecht, di=
e
Aktion kurzerhand als "Straftat": "Die Verantwortlichen der Kampagne
Libertad! sind im Rahmen dieser Aktion nichts anderes aks ganz normale
Kriminelle, die unter dem Deckmantel des angeblichen Kampfes f=FCr die Re=
chte
von Asylbewerbern ihre Straftaten begehen."

F=FCr die Cyberaktivisten oder Hacktivisten m=FCssen hingegen die b=FCrge=
rlichen
Freiheiten auch im Cyberspace gelten. Sierk Hamann, Richter und Experte f=
=FCr
Online-Recht, fordert dazu auch, auch solche DoS-Attacken "im Lichte der
Grundrechte" zu sehen, die eine allgemeine Meinungsfreiheit garantieren.
Die Diskussion dar=FCber hat erst begonnen.

Mehr in Telepolis: Kein digitaler Sturzflug des Kranich?[5] (fr[6]/tp)

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 [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/7907/1.html
 [4] http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,140577,00.html
 [5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7928/1.html
 [6] mailto:fr@tp.heise.de

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