[rohrpost] FYI: Sieben Thesen zur Lage

Axel Diederich iisg@snafu.de
Thu, 13 Sep 2001 23:50:11 +0200


vielleicht auch f=FCr diese liste interessant
gruss
axel
http://www.iisg.nl/~id


************

>From: "archivbremen" <archivbremen@niatu.net>
>
>Hi,
>
>ich leite das mal weiter, da es die erste vern=FCnftigere Einsch=E4tzung=
 ist,=20
>die mir auf den Bildschirm gekommen ist.
>
>Sie stammt von dem Bremer Autoren und polit. Theoretikers C. Spehr (Die=20
>=D6kofalle, 1996; Die Aliens sind unter uns, 1999)
>
>Gr=FCsse
>
>
>Bernd
>
>
><http://www.archivbremen.de>www.archivbremen.de
>
>
>
>
>*******************
>----- Original Message -----
>From: <mailto:Yetipress@aol.com>Yetipress@aol.com
>To: <mailto:newsgroup@niatu.net>newsgroup@niatu.net
>Sent: Thursday, September 13, 2001 3:03 PM
>Subject: Sieben Thesen zur Lage
>
>Sollen wir mal dr=FCber reden?
>Bitte die um Entschuldigung, die das m=F6glicherweise mehrmals kriegen.
>Herzliche Gr=FC=DFe,
>Christoph Spehr
>
>
>Sieben Thesen zur Lage
>
>1. Das ist kein Krieg. -
>Auch wenn die Dimension der Terroranschl=E4ge schockierend ist: Das ist=
 kein
>Krieg. Bis jetzt noch nicht. Kriege sind bewaffnete Auseinandersetzungen
>zwischen Staaten oder B=FCrgerkriegsparteien in einem Land; Krieg erfordert
>einen bekannten Gegner, dessen milit=E4rische Struktur angegriffen werden=
 kann.
>Das Etikett "Krieg" lenkt ab von der Fragw=FCrdigkeit von blinden
>Vergeltungsschl=E4gen, die vorwiegend aus symbolischen und innenpolitischen
>Gr=FCnden forciert werden. Es sei daran erinnert, dass z.B. die "Ziele" im
>Sudan, die 1998 von den USA bombardiert wurden, sich nachtr=E4glich als
>"Irrtum" herausstellten. Terror wird durch Gegenterror nicht bek=E4mpft,=
 und er
>rechtfertigt ihn nicht.
>
>2. Es kommt jetzt alles darauf an, keinen Krieg daraus zu machen. -
>Die Rhetorik vom Krieg und die Politik des Gegenschlags spielt in
>leichtfertiger Weise mit der Gefahr eines tats=E4chlichen Krieges, vor=
 allem
>eines Krieges zwischen dem Westen und arabischen L=E4ndern. Zweifellos geht
>Terror in der Welt auch vom Boden der USA und Europas aus; dass eine
>Bombardierung entsprechender "Zentren" nicht verst=E4ndnisvoll hingenommen
>werden kann, erleben wir gerade. Dasselbe gilt f=FCr L=E4nder in Asien,=
 Afrika
>oder Nahost aber auch. Aktuell ist es der Westen, der einen Angriffskrieg
>gegen arabische Staaten vorbereitet, der bereits als Krieg des Guten gegen
>das B=F6se abgefeiert wird. Die Geschwindigkeit, mit der angebliche
>"Erkenntnisse" produziert werden, ist mehr als fragw=FCrdig. Die
>Leichtfertigkeit, mit der das Risiko eines tats=E4chlichen Krieges in Kauf
>genommen wird, ist ebenso schockierend wie das Desinteresse an den=
 Menschen,
>deren Leben direkt und indirekt gef=E4hrdet wird.
>
>3. Das ist kein Anschlag gegen die Freiheit, nicht einmal gegen den
>Kapitalismus, und es l=E4=DFt sich auch keiner draus machen. -
>Mit den verheerenden Anschl=E4gen ist weder die "freie Welt", sprich der
>Westen, noch die "zivilisierte Welt", sprich die Industriestaaten, auch=
 nicht
>die "Demokratie", sprich der Kapitalismus angegriffen worden. Abgesehen
>davon, dass man bis jetzt nicht wei=DF, wer die Anschl=E4ge mit welchem=
 Ziel
>durchgef=FChrt hat, richten sie sich gegen Symbole der USA als weltweiter
>Interventionsmacht, =F6konomisch und milit=E4risch. Das ist eine relativ
>spezielle Botschaft. Die Rede vom "Angriff auf die Freiheit" b=E4ckt dieses
>spezifische Gewaltpotenzial mit allem und allen in der Gesellschaft=
 zusammen
>und verdeckt gezielt, dass eben diese Interventionsmacht und -praxis seit
>langem bewusst und kalkuliert Risiken auch f=FCr die eigene Bev=F6lkerung=
 anzieht
>- vor allem indem sie anderswo Gewalt aus=FCbt und Armut schafft, aber auch
>indem sie bedenkenlos Gruppen milit=E4risch aufr=FCstet, =FCber die sie=
 dann die
>Kontrolle verliert.
>
>4. Das ist kein Anschlag f=FCr die Freiheit, nicht einmal gegen den
>Kapitalismus, und es l=E4=DFt sich auch keiner draus machen. -
>Man muss keine Sympathie f=FCr das Pentagon oder f=FCr das internationale
>Finanzkapital hegen, um festzustellen, dass die Anschl=E4ge eine=
 faschistische
>Handschrift tragen. =C4hnlich wie bei den Anschl=E4gen in Bologna, Oklahoma=
 und
>anderen sollten mit maximaler Gewalt m=F6glichst viele Menschen get=F6tet=
 werden,
>Chaos und Krieg sind die kalkulierten, erhofften Folgen dabei. Der Tod von
>Zivilisten, die unmittelbare Lebensgefahr die f=FCr Pal=E4stinenser, f=FCr
>Israelis, f=FCr die Bev=F6lkerung arabischer Staaten und viele andere
>hervorgerufen wird, sind den T=E4tern vollst=E4ndig gleichg=FCltig. Egal ob=
 die
>Verantwortlichen arabische Fundamentalisten, amerikanische Rechtsextreme,
>eine Verbindung mehrerer Gruppen oder ganz Andere waren: hier l=E4=DFt sich=
 kein
>antikapitalistischer Kontext konstruieren, hier rechnet ein reaktion=E4res,
>organisiertes Machtpotential mit einem Gegner ab, der der eigenen Macht im
>Weg steht; hier wird geschlachtet, weil man sich von den Folgen eine
>Eskalation verspricht, von der das eigene Machtgebilde auf Kosten zahlloser
>Anderer profitieren soll.
>
>5. Die Anschl=E4ge sind der Bankrott einer milit=E4risch und polizeilich
>fixierten Sicherheitspolitik; ein Weitergehen in diese Richtung ist
>verantwortungsloser Hasard. -
>Die Rede vom Krieg verdeckt auch, dass es vor Terroranschl=E4gen keinen
>absoluten Schutz gibt. Die eigene Sicherheit zu erh=F6hen, erfordert=
 Politik,
>nicht milit=E4rische Schlagkraft. Es erfordert eine Politik, die zumindest=
 in
>h=F6herem Ma=DFe auf Kooperation, Ausgleich und Kompromiss bedacht ist,=
 wenn es
>um =F6konomische Politik und internationale Konflikte geht. Auch wenn die
>Terroranschl=E4ge nicht beanspruchen k=F6nnen, irgendjemand zu=
 "repr=E4sentieren",
>haben sie einen verbreiteten realen Hass auf den Westen und die USA zur
>Voraussetzung, um ihre S=F6ldner zu rekrutieren und sich erfolgreich vor
>Infiltration abzuschotten. Diesen Hass kann man milit=E4risch nicht
>zerschlagen, er ist die Bilanz einer Politik, die weiten Teilen der
>Menschheit nichts zu bieten hat - nicht die Ambivalenz eines noch halbwegs
>ausk=F6mmlichen Lebens im Kapitalismus, sondern buchst=E4blich nichts au=DF=
er
>Gewalt, Armut, Vertreibung und Dem=FCtigung. Sicherheitspolitik besteht=
 heute
>im Protest gegen die Politik der G8. Wer findet, am wichtigsten sei, dass=
 die
>Bundeswehr jetzt auch m=F6glichst schnell ihre globale=
 Interventionsf=E4higkeit
>weiter vorantreibt, ist nicht nur zynisch, er riskiert bereitwillig unser
>aller Leben um der Interessen von Eliten und "Systemzw=E4ngen" willen.
>
>6. Es ist notwendig deutlich zu machen, dass wir uns weigern, einen Krieg=
 zu
>f=FChren. -
>Die an sich bekannte Wahrheit, dass Krieg das Schlimmste ist, was passieren
>kann, wird derzeit beschleunigt zugedeckt. Wir erleben kriegsvorbereitende
>Propaganda. Es ist wichtig, klar zu machen, dass ein Krieg auf Widerstand
>st=F6=DFt. Anteilnahme und Solidarit=E4t f=FCr die Get=F6teten in Amerika=
 und ihre
>Angeh=F6rigen sind wichtig. F=FCr die innenpolitischen Interessen von Bush=
 und
>die strategischen Machtinteressen deutscher Eliten im Nahen Osten den Kopf
>hinhalten, hat damit nichts zu tun.
>
>7. Es ist notwendig, einer Spirale von Rassismus entgegenzutreten. -
>Es gibt bereits Angriffe auf Ausl=E4nder, speziell auf Menschen aus=
 arabischen
>L=E4ndern oder aus mehrheitlich moslemischen L=E4ndern, in den USA und auch=
 hier.
>Das Spiel von oben ist dasselbe wie immer: Man will solche =DCbergriffe=
 nicht
>haben, betreibt aber die Politik, die sie vorbereitet. Es geht eben nicht
>darum, dass "nicht alle Araber so sind" oder der Islam auch ganz nett sein
>kann. Es geht um aktiven Schutz f=FCr Gef=E4hrdete, es geht um eine
>selbstkritische Haltung gegen=FCber der eigenen Politik und Dominanz. Es=
 geht
>um das Anerkennen der Tatsache, dass es auch Hass gibt und dass er auch=
 reale
>Gr=FCnde hat. Es geht um das Eingest=E4ndnis der Tatsache, dass der Westen=
 jeder
>emanzipatorischen oder sozialen Alternative innerhalb des Islam oder
>innerhalb der arabischen Gesellschaften mit kompromi=DFloser H=E4rte
>entgegengetreten ist, einfach wegen des =D6ls. Und es geht darum, mit der
>realen Vielgestaltigkeit von Positionen, politischen =DCberzeugungen und
>sozialen Kr=E4ften endlich zu kooperieren, zu kommunizieren und zu=
 verhandeln,
>anstatt sich die Feindbilder zu schaffen, die das eigene Draufhauen immer
>wieder aufs Neue legitimieren sollen.
>
>