[rohrpost] heise online: Red Hat: Pinguine aller Laender, vereinigt euch!

Florian Cramer cantsin at zedat.fu-berlin.de
Don Aug 7 00:48:38 CEST 2003


Am Mittwoch, 06. August 2003 um 19:45:29 Uhr (+0200) schrieb Matthias Weiss:
 
> ich denke, es wäre an der Zeit, einmal über das Phänomen SCO auch in
> der Liste nachzudenken, um ggf. Möglichkeiten des Handelns definieren
> zu können. 

In Deutschland sind mit der gerichtlichen Verfügung, die der
LinuxTag e.V. gegen den deutschen Ableger von SCO (alias Caldera)
erwirkt hat, bereits alle Möglichkeiten erfolgreich ausgeschöpft.

In der Freien Software-Gemeinde herrscht ansonsten (noch) die
Ansicht vor, daß es sich um ein Schmierentheater handelt, mit dem das
SCO/Caldera-Management künstlich den Aktienkurs der eigenen Firma
hochtreibt, um kurz vor ihrem Untergang mit Insiderverkäufen abzusahnen.
Letztere sind kein Gerücht mehr, sondern durch Daten der amerikanischen
Börsenaufsicht belegbar.

Dennoch bleibt der Fall relevant bzw. interessant in Praxis und Theorie:

- Wie werden Firmen, Behörden, Hochschulen auf ad personam adressierte
SCO-Lizenzforderungen reagieren (über 700 bzw. 1500 Euro pro
GNU/Linux-Arbeitsplatzrechner), wer hält inkompetente Entscheider von
Zahlungen bzw. vom Ersatz freier durch proprietäre Systeme ab? Rächt
sich jetzt die mangelnde Differenzierung von Linux, dem Kernel,
einerseits und Linux-basierten Betriebssystemen (i.d.R. mit
GNU-Userland) andererseits, die SCO jetzt bewußt als Waffe gegen freie
Software wendet? 

- Falls es tatsächlich Copyright-Verletzungen im Linux-Kernel gibt: Was
bedeutet dies für die Zukunft der dezentralen "Basar"-Entwicklungsmethode
(im Gegensatz zur zentralisierten Entwicklungsmethode z.B. des
GNU-Projekts, das allen Entwicklern förmliche Erklärungen abverlangt,
daß sie kein fremdes Copyright an Code verletzen)?

- Und schließlich: Wie erklären pro- wie anti-marktwirtschaftliche
Ökonomen die Existenz halbseidener Parasiten-Firmen, deren
Geschäftsmodell allein darauf beruht, andere Firmen und Privatpersonen
auf Grund fadenscheiniger Urheber-, Vertrags- und Patentrechtsclaims
zu verklagen und daraus Millionengewinne scheffeln? (Warum hat
noch kein Science Fiction-Autor einen Roman über eine Zukunft
mit einer potemkischen Ökonomie geschrieben, in der "symbolisches
Kapital", "Aufmerksamkeitsökonomie", "Dienstleistungsgesellschaft"
eben keine Verheißungsvokabeln sind, sondern die Insignien einer
Halsabschneider-Ökonomie mafiöser Scheinfirmen, die sich gegenseitig mit
"Intellectual Property"-Klagen überziehen und auf diese Weise Geldströme
kreieren?)

-F


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