[rohrpost] Manovich

Henning Ziegler mail at henningziegler.de
Mit Okt 20 10:05:27 CEST 2004


> (Apropos Manovich, gerade fällt es mir wieder ein: Vielleicht sollte 
> ihm mal
> jemand sagen, dass .doc-Dateien auf Webseiten nichts verloren haben. 
> Ich

Das hatte ich ihm mal gesagt, aber für die Problematik könnte er sich 
nicht erwärmen. Das liegt aber vielleicht daran, dass er seine Computer 
auch meist "unpersonalisiert" verwendet und eben auch mit Word 
arbeitet, weil ihn die Oberfläche und Wirkung des generischen 
Windows-PCs jenseits von BASIC interessiert. Ich finde, dass er da 
einen berechtigten Zugang hat - wenn ich Filmwissenschaft betreibe, 
schreibe ich meist ja auch über für ein Publikum geschnittene und im 
Kino aufgeführte Version und nicht über Autorenversionen, 
Schnitttechnik am Schnittplatz und so weiter... So ist dann auch das 
Dissen seiner Person in einem Kittlerseminar wegen mangelnder 
Programmierkenntnisse zu sehen, dass an seinem eigentlich Punkt 
vorbeigeht.

-H


Am 17.10.2004 um 23:34 schrieb Harald Hillgärtner:

> Hallo Florian
>
> Am Samstag 16 Oktober 2004 21:46 schrieb Florian Cramer:
>> Das ist genauso, als wenn man Literaturwissenschaftler ist und
>> Analphabet, Fremdsprachenphilologe ohne Fremdsprachenkenntnisse oder
>> ein Musikwissenschaftler, der weder ein Instrument spielen, noch Noten
>> lesen kann. Schimpf mich konservativ, aber dies sind in
>> geisteswissenschaftlichen Fächern sonst völlig selbstverständliche, 
>> oft
>> schon von Studienanfängern verlangte Mindestkompetenzen.
>
> Ein wenig schief sind die Vergleiche schon noch, da es sicherlich einen
> Unterschied macht, ob man von etwas überhaupt nichts versteht, weil 
> man nicht
> lesen kann, oder ob man dilletiert, weil man etwas in seinen 
> technischen
> Grundlagen nicht versteht. In ersterem Fall kann man noch nicht einmal
> dilletieren. Trotzdem sind die Vergleiche gut und keinesfalls 
> konservativ.
>
>> Also ist von einem Medienwissenschaftler, der über Computer
>> theoretisiert, zu erwarten, daß er mindestens eine simple
>> Programmiersprache wie BASIC beherrscht, oder von einem
>> Medienwissenschaftler, der über das Internet schreibt, daß er z.B. 
>> weiß,
>> was TCP/IP, Routing und DNS sind. [Wie sonst könnte man sonst z.B.
>> kompetent über ein netzaktivistisches Kunstprojekt wie voteauction.com
>> schreiben, dessen DNS-Einträge zentral gelöscht wurden?] Dies sind so
>> banale Mindeststandards, daß sie vorauszusetzen noch lange nicht
>> heißt, ein Technik-Materialist wie Kittler zu sein.
>
> Mir fällt da spontan ein, dass ich vor einer Weile einen Text eines
> prominenten Kunstwissenschaftlers gelesen hatte: Dort versteigt er 
> sich zu
> der Aussage, dass es im Netz aufgrund seiner Topologie, also die 
> Dateien auf
> entfernten Servern liegen und eine eindeutige Adresse haben, der von 
> Benjamin
> absentierte Begriff des Originals wieder Einzug halten würde. Die 
> Kopien
> würden wieder territorialisiert, und eben dadurch keine Kopien mehr. 
> Tja, was
> soll man da sagen...
>
> Insofern verstehe ich gut, was du meinst. Man muss natürlich in jedem 
> Fall
> seine Grenzen kennen. Wenn man diese aber kennt, lässt sich sicherlich 
> auch
> über den Computer sprechen, ohne BASIC zu können, denn schließlich
>
>> Es ist ja gerade die Stärke von einem unsystematischen und
>> nicht-medienmaterialistischen Theoretiker wie Manovich, daß seine 
>> Thesen
>> unmittelbar aus dem praktischen Umgang mit Computern gewonnen sind.
>
> schreibt Manovich auch nicht über Algorithmen und Datenstrukturen, 
> sondern
> schaut in den allermeisten Fällen auf die Oberfläche etwa eines
> Quicktime-Movies um dies mit Avantgarde-Kino und -Theater in einen
> Zusammenhang zu bringen (nicht ohne dabei Bertolt Brecht falsch zu 
> schreiben,
> aber egal). Frage wäre dann schon, ob sich nicht der größte Teil von
> Manovichs "Language of New Media" ohne Programmierkenntnisse schreiben 
> ließe.
> Und zwar, wie du selber sagst, aus besagtem praktischen Umgang heraus. 
> Da
> fällt mir nämlich ein anderer Kunsthistoriker ein, der einen 
> lesenswerten
> Aufsatz über die Zumutung der Assistenten unter Windows geschrieben 
> hat, ohne
> sich mit Computern auszukennen. Ganz naiv, nur durch hinschauen und 
> sich
> darüber wundern.
>
> (Apropos Manovich, gerade fällt es mir wieder ein: Vielleicht sollte 
> ihm mal
> jemand sagen, dass .doc-Dateien auf Webseiten nichts verloren haben. 
> Ich
> befürchte ja, mir auf dieser Liste bösen Ärger zuzuziehen, aber in 
> Punkto
> Kompetenz könnte auch dazu gehören, zwischen offenen Standards und 
> zwischen
> propritären Formaten zu unterscheiden. Aber es gibt ja inzwischen
> OpenOffice...)
>
> Beste Grüße,
> Harald.
>
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