[rohrpost] LEGAL / ILLEGAL. Wenn Kunst Gesetze bricht/ Ausstellung der NGBK vom 16.10.-28.11.2004

Matthias Reichelt presse at ngbk.de
Don Sep 16 19:35:33 CEST 2004


LEGAL / ILLEGAL
Wenn Kunst Gesetze bricht

16. Oktober - 28. November 2004, täglich 12 - 18.30 Uhr

Eröffnung: Freitag, 15. Oktober, 19 Uhr
In der NGBK, Oranienstr. 25, 10999 Berlin, presse at ngbk.de

Idee: Hans Winkler. Konzept: Helen Adkins/ Kai Bauer/ Hans Winkler
Arbeitsgruppe: Helen Adkins, Kai Bauer, Stéphane Bauer, Astrid Bretz,
Corinna Weidner, Hans Winkler

legal / illegal stellt Aktionen von Künstlern in den Mittelpunkt, bei denen
die Grenzen zwischen künstlerischer Inszenierung und politischer Tat
verschwinden, bei denen das Symbolische in Aktionismus, Illegalität oder gar
Kriminalität mündet – Aktionen, die den Konflikt zwischen den Systemen
Politik, Kunst und Leben suchen. Das Projekt beginnt zeitlich mit dem Anfang
des 20. Jahrhunderts.

In der Ausstellung werden Arbeiten von ca. 20 Künstlern aus Deutschland,
Großbritannien, ltalien, der Schweiz und den USA gezeigt. Eine kleine,
repräsentative Auswahl von Materialien wird historische Positionen (Arthur
Cravan, Franz Jung bis George Maciunas) vergegenwärtigen.

Künstler in der Ausstellung: Chris Burden, Arthur Cravan, GAAG, Francis
Gomila, Abbie Hoffman, Franz Jung, Janice Kerbel, Tony Labat, George
Maciunas, Gordon Matta Clark, Ann Messner, Gianni Motti, Dennis Oppenheim,
p.t.t.red, Antonio Riello, Jackie Sumell, Timm Ulrichs, Georg Winter.

Stadtraum: In der Polizeihistorischen Sammlung Berlin findet eine
Sonderpräsentation zur Verbrecherkarriere "des Kaufhauserpressers“ Dagobert
statt.
Führungen jeweils donnerstags 21.10., 28.10. um 15 Uhr / 4.11., 11.11.,
18.11., 25.11. um 17 h
Anmeldung: Frau Dr. Schönefeld: 030/ 46 649 947 62
Polizeihistorische Sammlung Berlin, Platz der Luftbrücke 6, 12101 Berlin

Wichtig für das Projekt ist die Kooperation mit dem Kino Arsenal am
Potsdamer Platz für die Vorführung von thematisch relevanten Filmen und
Videos. Hier werden auch Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt werden, die eine
zeithistorische Einordnung der künstlerischen Aktionen ermöglichen.

18. / 20.10.: 	Cravan vs Cravan von T. Isaaki, 2002
22.10: 		in girum imus nocte et sonsumimur igni, Guy Debord, 1978,
vorgestellt von Klaus Bittermann
27.10.		fluxus-collection
29.10:		mai 68
jeweils um 19.30 Uhr mit Kurzfilmen im Vorprogramm von Ann Messner, Abbie
Hoffman, Gianni Motti, Francis Gomila
Kino Arsenal, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin, 030-26 955-100

Das zur Ausstellung erscheinende Buch, zweisprachig deutsch/englisch,
beinhaltet Essays, Beiträge von Künstlern, Interviews und dokumentierende
Texte, wie Manifeste etc. Die Autoren der Essays sind Helen Adkins, Berlin /
R.A. Jürgen Arnold, München / Kai Bauer, Stuttgart /

Eckhart Gillen, Berlin / Justin Hoffmann, Tübingen / Carlo McCormick, New
York / Hans Winkler, Berlin und New York.
Das Buch bietet eine chronologische Zusammenstellung von Kunstwerken,
Künstlern und Projekten, die mit diesem Kontext korrespondiert. Etwa 260
Seiten / 100 Illustrationen / herausgegeben von der NGBK, Berlin im
Schmetterling Verlag, Stuttgart.

legal / illegal ist als Buch ab 15.10.04 in der NGBK und im Buchhandel
erhältlich (ca. 17 Euro).

Gefördert von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur,
Berlin und finanziert durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
Die Buchproduktion wird von der Stiftung Kunstfonds, Bonn gefördert.
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Franz Jung entführte zu Beginn der russischen Oktoberrevolution einen
Fischdampfer von Cuxhaven nach Russland.
Abbie Hoffman brachte den Börsenbetrieb an der Wallstreet für einige Stunden
zum Erliegen, nachdem er 100 Ein-Dollarnoten von der Zuschauertribüne den
Brokern und Bankern zuwarf.
Dennis Oppenheim klaute Radkappen von Straßenkreuzern in Kalifornien und
präsentierte die Beute vor dem Staatsgefängnis St. Quentin.
Gianni Motti nahm den unbesetzten Platz des Abgeordneten von Indonesien im
UN-Sicherheitsparlament ein und hielt stellvertretend im hohen Hause seine
Rede.
Und Tony Labat entführte den Kandidaten der kalifornischen Gouverneurswahl.

Die theoretische und praktische Auseinander-setzung innerhalb der Kunstwelt
mit Illegalität zieht sich wie ein roter Faden durch die Kunst-strömungen
des 20. Jahrhunderts: vom Futurismus, Dadaismus, den Situationisten, Fluxus,
Konzeptkunst, bis zur Gegenwart. Bei der historischen Durchforstung dieser
Kunstform ist auffällig, dass vor allem in Krisenzeiten häufiger radikale
Aktionen zu verzeichnen sind und Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf
DADA, des Vietnam Krieges auf die Kunst der 60er / 70er Jahre, oder der
Irakkriege in der Gegenwartskunst zu konstatieren sind.

Bei solchen Aktionen können oft die Grenzen zwischen künstlerischer
Inszenierung und politischer Aktion verschwinden, oder sich auch in der Nähe
von "Kriminalität" ansiedeln.
Offensichtlich bleibt, dass die Arbeiten im Verhältnis der politischen
Ereignisse dieser Zeit zu sehen sind und sich ausschließlich der
künstlerischen Idee und deren Tragweite unterordnen - und nichts mit dem von
Geldgier getriebenen Gangster und seinen ökonomischen Zwangshandlungen
gemeinsam haben. Es geht nicht darum, Gewalt, Gesetzesbruch oder Illegalität
um ihrer selbst Willen auszuüben.

Die Arbeiten spiegeln die Spannbreite der gesellschaftlichen
Verhaltensformen wieder, wozu z.B. neben Verständnis und Anpassung auch
Aggression und Gewalt gehören und Teil des menschlichen Lebens sind.

Es werden Aktionen von Künstlern vorgestellt, die durch ihre
unkonventionellen politischen Statements und ihren Humor notwendigerweise in
die rechtliche Grauzone zwischen legal und illegal eintauchen.

Die Arbeiten zeugen von engagierten, anarchistischen Ausdrucksformen, die
auf gesellschaftliche und politische Situationen reagieren, sich einmischen
und dabei extreme künstlerische Beiträge liefern. Sie zeugen auch von der
Notwendigkeit der Kunst, Schritte in die sogenannte "Illegalität" zu wagen,
"aggressiveres" oder aktiveres Verhalten einzunehmen, die Illegalität nicht
zwangsläufig ausschließt. So sind diese Aktionen in einem differenzierten
Licht zu sehen, in welcher die Aussage und der künstlerische Ausdruck im
Vordergrund stehen. Konsequenzen werden oft bewusst in Kauf genommen und in
die Planung eingeschlossen. Es gilt, eine neue Definition der Begriffe legal
und illegal vorzunehmen.

Werte, Normen und Gesetze und deren Auslegungen sind dem Wandel der Zeit
unterworfen und verändern sich stetig. So kann ein als strafbarer Akt
eingestuftes Kunstwerk später oder auch anderswo als positiv inspirierende
Aktion angesehen werden. So wurden Aktionen verteufelt und zu gegebener,
späterer Zeit, z.B. durch die Etablierung eines Künstlers, positiv bewertet
ans Tageslicht gebracht. (Dada, Futurismus). Womit auch der Titel und
zugleich die Variable legal / illegal umschrieben ist.


Illustrationen und weitere Informationen sind bei Nachfrage verfügbar.