[rohrpost] Den Differenzen nachspueren (auf nach Kassel, selber gucken!) schon getan

Armin Medosch armin at easynet.co.uk
Die Jun 19 10:41:22 CEST 2007


hallo kollegInnen von STR und alle zusammen

ich war nicht auf dieser documenta finde diese diskussion aber dennoch
sehr spannend. vor allem sollte bedacht werden, wie weit "wir" in
dieser hinsicht gekommen sind, was elisa angesprochen hat. man denke
z.B. an die documenta 6, die "mediendocumenta" als die grossen jungs und
maedels mit dem satelliten spielen durften (siehe zitat weiter unten). 

der nachhall dieser zeit mit video, performance, offenem kunstwerk etc.
hat mich entschiedend beeinflusst mich anfang der achtziger jahre der
medienkunst zuzuwenden. wobei allerdings neben der "kunst" auch punk,
DIY, new wave, science fiction, under ground pop culture und
gegen/subkulturelle medien wichtige einflusse waren, die meiner meinung
nach in den institutionellen geschichtsschreibungen, die immer nur die
"hohe" kunst mit der technik liiert sehen wollen, viel zu wenig
beruecksichtigt werden.   

insofern ist die derzeitige documenta wohl ausdruck eines konservativen
backlash in der etablierten kunstszene, der wohl vor allem in
deutschland besonders ausgepraegt ist. das raecht sich aber auch, denn
ich glaube diese documenta macht international nicht viel her. aus einer
art einzigartigen weltausstellung der kunst welche die documenta lange
war, ist ein eher regionales ereignis geworden. man vergleiche die
derzeitige engstirnige einstellung mit dem was vor 30 jahren war -- hier
ein ausschnitt aus einem text von inke:
http://www.medienkunstnetz.de/themen/medienkunst_im_ueberblick/kommunikation/11/

"Im gleichen Jahr beteiligten sich Joseph Beuys, Douglas Davis,
Charlotte Moorman und Nam June Paik mit Performances an der
Satellitenübertragung anlässlich der Eröffnung der sehr
medienorientierten documenta 6 in Kassel (1977): Während dieser
documenta wurden Videobänder von Künstlern durch das Fernsehen
ausgestrahlt, und es fanden drei Performances von Beuys, Paik und
Moorman sowie Davis
statt, die live per Satellit übertragen wurden (es handelte sich
allerdings um eine Ausstrahlung ohne Rückkanal, also ohne
Interaktionsmöglichkeit für die Zuschauer). Die Sendung endete mit der
Performance »The Last Nine Minutes« von Douglas Davis, bei der der
Künstler versuchte, den Fernsehbildschirm symbolisch zu durchbrechen und
eine direkte Kommunikation mit den Zuschauern herzustellen. Die Sendung
wurde live in mehr als 30 Länder übertragen und hat damit wahrscheinlich
die größte Menge von Zuschauern erreicht, die jemals an einem
Kunstereignis ›teilgenommen‹ haben"" (zitat ende)

insofern ist die "krise der medienkunst" von der manche reden, wohl eher
eine krise der institutionen der kunst, eine krise der rezeption, der
kritik, der theorie, aber sicher keine krise der kuenstlerischen
produktion. die brummt ganz flott und munter, laesst sich aber nicht
mehr in die alten kategorien einspannen (auch die der medienkunst im
engeren sinn nicht). z.B. geert lovink's beobachtung, die medienkunst
habe es nicht geschafft zur popkultur zu werden. voellig falsch. gerade
weil vieles wovon die medienkunst einst exklusiv handelte, zur popkultur
geworden ist, kann er (und andere auch, es haben da manche glaube ich
auch ein alterungsproblem) sie nicht mehr in sein blickfeld bekommen.
noch schlimmer jene, die meinen, medienkunst muesse aus einer
selbstverschuldeten ghetto-situation ausbrechen und sich nun bei der
sogenannten etablierten kunst anbiedern. wo, bitte, was? das soll der
masstab aller dinge sein? da sollten wir hin wollen? 

es waere schoen, elisa, wenn die kuenste wieder alle zusammen finden
wuerden. doch in der industriellen massengesellschaft muss man sich -
siehe freund FE, eben distinktionsgewinne verschaffen. insofern ist es
glaube ich einfach besser mit der eigenen arbeit fortzufahren als nach
hueben und drueben zu schielen.  

es gibt genug zu tun, 
gruss
armin








   
On Mon, 2007-06-18 at 12:50 +0200, Station Rose wrote:
> ://gestern von der documenta zurückgekehrt. habe 
> im fastforward modus die documenta (großteils) 
> durchquert, und komme, jetzt zurück im studio in 
> frankfurt, zu dem resultat, dass ausser konfusion 
> nicht viel als nachgeschmack blieb. da waren 
> schon einige wenige schöne arbeiten (cosima von 
> bonin, bill kouélany, charlotte posenenske, hito 
> steyerl, trisha brown),  aber das ganze als 
> solches wirkte ...zeitreisenmäßig.
> 
> vorab : outdated finde ich (& das schon seit 
> jahren) als medienkuenstlerin das 
> nicht-eintreten, noch immer nicht eingetretensein 
> der medienkunst in den kunstbetrieb/markt.
> das wurde hier wieder transparent.
> solange das so ist, habe ich mit solchen 
> grossausstellungen definitiv meine 
> schwierigkeiten.
> 
> und solange festivals( a la transmediale) 
> maginalisert & nur parallel existieren, wird es 
> vor allem mal wichtig, dass man als künstler 
> seine angestammte  heimat, nämlich den 
> kunstbetrieb als solchen besser nützt. Invasion 
> ist angesagt.
> 
> so fühlte ich mich in kassel als gastbesucher, 
> und das kann es ja wohl nicht sein, wenn man 
> professionell seinen beruf ausübt. (fühlt sich 
> ein zahnart alienated bei einem aerztekongress, 
> nur weil er ein spezialgebiet beherrscht?)
> 
> in der abkoppelung der medienkunst innerhalb der 
> kunst liegt für mich eine der hauptschwächen der 
> aktuellen kunstsituation. so zieht man also raus 
> in den ausstellungsparkour, zieht sich kunst 
> rein, ohne die schnittstelle zur eigenen 
> digitalen position zu finden, immer der 
> abkoppelung durch postmoderne kuratoren bewusst.
> 
> dass die ausstellungsarchitektur des 
> <kristallpalastes> ausserdem so viel mehr 
> zusammengestoppelt, zusammengeklebt als homogen 
> wirkt kommt auch noch hinzu.
> so viele qm2, so wenig platz - für ein 
> sammelsurium von reingepfropften installationen, 
> arbeiten.
> 
> Sinnlich? Eher problematisch.
> Und dann  noch erwähnenswert -  das Fehlen der 
> Farbe Rot in der Umsetzung - im Feld vor dem 
> Fredericianum - bei gleichzeitigem Betonen dieser 
> Farbe im documenta-rischen Sprachgebrauch.
> 
> Also Invasion ist angesagt!
> raus aus dem medienfestivalghetto & rein -> 
> zurück & nach vor - in den pysischen und sozialen 
> Raum der Kunstwelt!
> 
> in diesem sinne
> herzlichst
> 
> Elisa Rose
> 
> 
> 
> 
> 
> 
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