[rohrpost] Reminder: 1st Bachelors? Prize for Net-Literature // deadline 30. September 05

[sascha brossmann]

on 8/30/05 6:55 PM, Florian Cramer wrote:
> Ich finde es hilfreicher, statt von "Code" versus "Interface" (was
> fast immer auf Mißverständnissen des Begriffs "Interface" beruht)
> von restringierten versus elaborierten Codes/Steuerungen zu reden.

jein. die opposition zwischen den beiden begriffen im äusserst
unscharfen populären gebrauch ('verständnis' kann man wohl schlecht
sagen) ist in der tat nicht unbedingt gegeben, soweit vollkommen
einverstanden. (siehe u.a. auch manovich, the language of new media,
p. 64: 'in semiotic terms, the computer interface acts as a code that
carries cultural messages in a variety of media.', die thematik
scheint mir a.a.o. insgesamt recht gut ausgearbeitet.)

eine differenzierung macht dennoch einigen sinn. und zwar insofern,
dass als 'interface' grob geagt die (zur 'laufzeit'!) sinnlich direkt
zugängliche domäne eines artefakts (nicht nur eines computerprogramms)
bezeichnet werden kann. und zwar zur realisierung einer handlung (die
im übrigen auch kommunikativ sein kann, spätestens hier schlägt der
m.e. erheblich zu restriktive begriff 'steuerung' auch fehl) eines
nutzers/sozialen agenten. 'interface macht aus blosser vorhandenheit -
in heideggerscher terminologie - zuhandenheit.' (bonsiepe)

'interface' besitzt somit in erster linie *ästhetische* (im alten
wortsinn, mithin also sinnliche/kognitive) und *praktische*
qualitäten. und ist nicht zuletzt auch gekoppelt an den menschlichen
körper -- eine einschränkung, der 'code' m.e. *nicht* unterliegt.

daher sind allerdings auch äquivalenzumformungen ausgeschlossen, ganz
im gegensatz zur 'funktionslogik' des artefakts (beliebiger endlicher
automat o.ä., kann aber genaus auch eine klass. mechanik sein etc.
oder auch 'information'), die ebensolche bekanntermassen 'unbeschadet'
übersteht. und es ist ja auch m.e. diese, die hier missverständlich
als 'code' bezeichnet worden ist.

vielleicht allgemeiner: 'code' (im hier kritisierten gebrauch) =
modell/funktion/inhalt & interface = handlungen ermöglichender
teilbereich einer modellinstanz. unterschiedliche *kategorien* also.
früher hätte man vielleicht auch von wesen und erscheinung o.ä.
gesprochen (was allerdings erheblich zu allgemein wäre).

da code aber, wie du ja auch schon gesagt hast, häufig als das auf
endlichen und diskreten zeichenmengen basierende interface zu einem
modell betrachtet wird, sollte man allerdings vielleicht wirklich
besser von 'interface' versus 'modell', 'funktion', 'innere logik',
'inhalt' o.ä. sprechen, wenn man das spezifische/konkrete dem
abstrakten gegenüber stellen will. eine verengung des begriffs 'code'
auf _innere fänomene_ eines artefakts scheint mir ebenfalls nicht
brauchbar.

bleibt festzuhalten, dass zumindest im bereich des immateriellen
'code' und 'interface' durchaus grössere überschneidungen aufweisen
können, 'code' aber dennoch eine andere kategorie als 'interface'
darstellt und nicht die konkrete koppelung an handlung und menschl.
körper aufweist, was im gegenzug aber auch äquivalenzumformungen
ermöglicht. weiterhin lässt sich 'code' m.e. auch rein abstrakt, als
reine entität von 'vorstellungen' auffassen, was für 'interface'
ausgeschlossen ist.

(zu obigem siehe auch bonsiepe, gui: interface. design neu begreifen,
köln 1996 -- nach wie vor eins der wenigen brauchbaren bücher zum
thema; gerade auch in bezug auf diesen nach wie vor mehr flauschigen
small talk als vernünftige theorie hervorbringenden bereich 'design'.)

> So gesehen, stellt jedes Programm über seinen Code ein Interface
> her, das selbst wiederum einen restringierten Code zur Nutzung des
> Computers implementiert.

insofern kann man im übrigen auch entgegen der landläufigen meinung
praktisch jede benutzung eines rechners in der derzeitigen form mit
'programmieren' gleichsetzen (cf. die einleitung zu felleisen, findler
et al: 'how to design programs', cambridge (ma), 2001).

herzlich


sascha
--
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