[WOS] Thema fuer WOS?

Stefan Merten wos@mikrolisten.de
Tue, 21 Sep 1999 22:47:43 +0200


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Hi together!

Huch, da habe ich ja einen längeren Thread losgetreten :-) , der in
der Tat nicht uninteressant ist.

Zu den Überlegungen zu Open Source und Ökonomie sage ich hier mal
nichts. Ich fände es allerdings spannend, die auf der
`oekonux@mikrolisten.de' weiterzudiskutieren.

Was ich definitiv nicht wollte, war schmutzige Wäsche waschen -
natürlich ein hoher Wunsch bei so einem Thema :-} .

Ganz kurz nur zu einem Punkt, weil ich ihn später brauche:

2 days ago Detlef Borchers wrote:
> Marc Lehmann wrote:
>> Z.B. ich, der ihn völlig niedergeflamed hat, 

In der Tat meinte Marc mich, der ich mich jetzt sicher in seinem
Kill-File wähnte.

>> weil er die Netiquette für
>> überflüssig hielt, bzw. in keinem Falle für sich als bindend annerkennt
>> ("dies hier ist ja eine Ausnahme").

Was natürlich Unsinn ist. Allerdings gibt es eine höchst
unterschiedliche Interpretation, deren - evt. fruchtbare - Diskussion
durch ein Killfile beendet wurde. Mein Eindruck spiegelt sich aber in
meinen Essenzen unten wieder.

>> Nein, ich bin nicht vom CCC, und alles
>> folgende ist ehrlich ganz allgemein gemeint:
> 
> Du machst mich neugierig. Worauf beziehst du dich denn mit deiner
> seltsamen Annahme, dass ich die Netiquette für überflüssig halte?

Interpretiere ich richtig, daß er dich auch schon angeflamed hat,
Detlef?


Einige Gedanken.


Ich hatte schon in meiner Eingangs-Mail darauf hingewiesen, daß zu der
beobachtenden Gewalttätigkeit - um nicht von verbaler Verrohung zu
sprechen - sicher auch die verengten Kommunikationskanäle, die daraus
rührende Anonymität und - kommt mir gerade - auch das eigentümlich
asynchrone Aufeinandertreffen der Konfliktparteien beitragen. Durch
diese Form der Kommunikation können unmittelbare Rückmeldungen, die
Sozialverhalten im normalen, breitbandigeren Kontakt steuern dürften,
nicht mehr wirken bzw. sind gar nicht wahrnehmbar. Dies erinnert in
gewisser Weise auch an das Fernsehen, wo die Folgen einer Tat auch oft
nicht erkennbar sind.

Allein wenn ich diesen Thread ansehe, würde ich sagen, daß einige
Mails hier nicht in einer Podiumsdiskussion vor ein paar zig Menschen
verlesen würden - sie wären schon zu scharf.

Mein Punkt in der Eingangs-Mail war, dieses Phänomen evt. via WOS
näher zu beleuchten und dessen Rückwirkungen auf die OS zu
untersuchen. Einige interessante Anmerkungen dazu sind hier ja schon
gemacht worden.


Nun, zwei Eindrücke drängen sich mir aus der bisherigen Debatte auf.


Es gibt Einzelne in den Szenen - ich habe den Eindruck, daß CCC und OS
nicht so ohne weiteres zusammenzuwerfen sind -, die in ihrer verbalen
(und realen?) Gewalttätigkeit offensichtlich keine Hemmungen kennen.
Eigentümlich scheint mir hier übrigens die Entgegenstellung von realer
Ohnmacht - mehr als Flames ist im Internet ja kaum drin - und verbaler
Gewalt.

Wenn es tatsächlich Einzelne sind, stellt sich mir hier die Frage,
warum eine Community solches Verhalten akzeptiert. Andererseits weiß
ich aber aus langer und zahlreicher Erfahrung, wie schwer es manchmal
ist, solche Störenfriede loszuwerden. Nur allzu oft habe ich
miterleben müssen, wie Projekte eher scheitern, als den Mumm zu haben,
Leute rauszuschmeißen, die auch nach mehrfacher Aufforderung und
Debatte offensichtlich ihrer Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber
nicht nachzukommen bereit sind.

Nun, in jedem Fall wirkt die Atmosphäre einer jeden Community
natürlich entscheidend dafür, wer sich dafür interessiert und wer sich
(mit Schaudern...) abwendet. Detlefs Erfahrungen und Vergleiche mit
den K-Gruppen finde ich da durchaus nicht unzutreffend - auch wenn
mensch da (leider!) nicht so weit zurückzugehen braucht (heute am
ehesten vielleicht die Anti-Deutschen).

Daß also die OS-Szene von (weitgehend phantasierter) Gewalttätigkeit
dominiert wird, finde ich schon einen wichtigen Punkt, der BTW auch
dazu beitragen dürfte, daß die WOS eine fast reine
Junge-Männerveranstaltung war. Nach meiner Erfahrung wenden sich
Frauen vernünftigerweise eher von solchen Kreisen ab, als (junge)
Männer. Ich hoffe übrigens, hier zu überspitzen :-} ...



Und dann habe ich aus der Debatte gelernt, wie stark die Ausgrenzerei
ist - sogar hier öffentlich vertreten... Booh, Mann, ey, das hatte ich
nicht erwartet! Aber in der Tat ist das genau das, was ich auch in
meinen Erlebnissen wahrgenommen habe.

Ok, die Szenen, aus denen unter anderem Gnu/Linux entspringt, scheinen
also eine Tendenz zu haben, Menschen auszugrenzen, die (noch) nicht
den technischen Sachverstand erreicht haben wie die Obergonz@s. Nur
eine Fußnote scheint mir dabei zu sein, daß dieser fehlende
Sachverstand offensichtlich bei jeder vorausgesetzt wird, die nicht
bereits das Gegenteil bewiesen hat.

Nun ist mir zwar bewußt, wie langweilig die eine oder andere Frage
sein kann. Allerdings habe ich bisher nie die Notwendigkeit gesehen,
darauf mit verpiss-dich-und-lies-erst-mal-deinen-Marx! reagieren zu
müssen. Dies ist allerdings genau das, was hier mit der Netiquette
gemacht wird. Daß dies weder eine Marx'sche Position noch eine der
Netiquette sein kann - und schon gar nicht in diesem Tonfall -, wirft
m.E. ein deutliches Licht auf die, die glauben, sich solcher Mittel
bedienen zu müssen.

Fatal wird es allerdings dann, wenn sie sich derart gegen andere,
vielleicht neugierige Außenstehende wenden. Nehmen wir mal den
verbreiteten Wert der Demokratie als Maßstab, so handelt es sich bei
diesem Verhalten um schlimmste Technokratie. Dagegen hilft übrigens
auch nicht der Einwand, daß sich jedeR aus den vorhandenen Quellen
selbst informieren kann.

Dies halte ich in der Tat für einen für die ganze OS-Entwicklung
höchstrelevanten Sachverhalt.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan

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