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Stefan Merten
smerten at oekonux.de
Mon Mar 24 21:18:31 CET 2003
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Hi Florian et al!
Wenn's zu off-topic hier ist, dann bremse mich/uns bitte eineR. Können
wir auch gerne bei Oekonux weiterdiskutieren. Da ist es definitiv
on-topic.
Yesterday Florian Cramer wrote:
> Am Freitag, 21. März 2003 um 21:51:32 Uhr (+0100) schrieb Stefan Merten:
>>
>> >> - Offene Standards
> Mit anderen Worten: Offene Standards sind nicht deckungsgleich mit
> freier Software.
Ja. Aber es gibt einen Zusammenhang über die Interessenlage. Freie
Software entsteht zu einem wesentlichen Anteil um einen Nutzen zu
schaffen. Offene Standards sind oft auch dazu da - aber nicht nur.
Differenzen gibt es z.B. wenn's praktisch wird. Dann zeigen sich eben
bei manchen offenen Standards nicht-nutzenorientierte Anteile. In den
letzten Jahren habe ich es z.B. mehrfach erleben dürfen, dass
Standards wie z.B. ISO8601 früher kostenlos gedownloaded werden
konnten und heute nur noch verkauft werden - vermutlich mit
entsprechendem Kopierverbot. Für einen nutzenorientierten Standard ist
das irgendwie ein Unding. Den *will* ich doch gerade unter's Volk
bringen damit er nützlich sein kann.
Der Verkauf von offenen Standards ist aber nur ein Aspekt. Auch in
einen offenen Standard selbst können proprietäre Anteile eingebaut
werden. Da kommt es vor allem darauf an, wie sehr jemensch einen
Standard alleine machen kann.
Ich würde dir also zustimmen und könnte mir zur besseren
Unterscheidung vorstellen, von Offenen Standards und Freien Offenen
Standards zu sprechen. Letztere sind dann ausschließlich am Nutzen
orientiert.
>> > 3. Ist Freie Software als Volks-Software auf dem Desktop
>> > gescheitert.
>>
>> Ja. Ungefähr so, wie Windows 1.0 als Volks-Software auf dem Desktop
>> gescheitert ist. Ein Drama...
>
> Richtig, und welche Konsequenzen hat Microsoft daraus gezogen?
Zunächst mal haben sie jahrelang weiterentwickelt. Das konnten sie
nur, weil sie mit M$DOS eine Cash-Cow hatten. Das hat sonst kein
proprietärer Laden. Das ist nur zu toppen, wenn du gar nicht erst eine
Cash-Cow brauchst: Freie Software.
> Man hat
> dort gelernt, daß ein Desktop-OS für die Massen nicht funktioniert, wenn
> es bloß eine graphische Shell oberhalb eines nichtgraphischen OS ist,
> die nur eine kleine Untermenge des Systems abbildet und steuerbar macht,
> sondern daß man das ganze Betriebssystem von der Desktop-Benutzung
> her konzipieren und auf ein einheitliches Bedienschema umstellen
> muß.
Das ist das Mantra, das Bill Gates ausgegeben hat und zu dem Eric S.
Raymond z.B. sagt, dass es in der Tat in Freier Software genau anders
herum läuft: Eine saubere Funktionalität, auf die dann eine grafische
Oberfläche gesetzt wird.
Aus meiner technischen Sicht heraus würde ich dieses Mantra auch
keineswegs teilen. Es spricht technisch überhaupt nichts dagegen, eine
Funktionalität erst mal per Kommandozeile / Sprache verfügbar zu
machen und dann eine grafische Oberfläche drauf zu setzen. Im
Gegenteil hat diese funktionale Trennung eine Reihe von Vorteilen -
z.B. Austauschbarkeit der grafischen Oberfläche oder des funktionalen
Unterbaus.
> Diese Vereinheitlichung ist aber nur über Top-Down-Zentralisierung
> zu haben und widerspricht der Kultur und dem Entwicklungsprinzip Freier
> Software.
Das sehe ich nicht so und m.E. liefern KDE und Gnome hier auch
Gegenbeispiele. Du brauchst vor allem einen Standard für die Anbindung
- - z.B. eine Library wie QT oder GTK. Dann kannst du zu jeder
beliebigen Funktionalität eine einheitliche grafische Oberfläche
bauen.
> Auch Apple verfährt nach dem Zentralisierungs-Prinzip, wenn es
> ein freies Basis-System so standardisiert, daß bestimmte Wahlfreiheiten
> - wie etwa der zwischen verschiedenen MTAs - wegfallen, und wenn es dem
> ganzen ein proprietäres Einheits-GUI verpaßt.
Hier bringst du etwas auf den Punkt: Freiheit ist ohne Fähigkeit nicht
zu beherrschen.
> [Nicht, daß ich ein solches GUI-Betriebssystem für mich selbst
> haben will, im Gegenteil ist mir selbst fvwm zu fett und
> fensterlastig, und ich arbeite mit einem "Anti-Desktop", wie er in
> <http://palm.freshmeat.net/articles/view/581/> beschrieben wird.]
>
> Niemand kann *BSD oder GNU/Linux ernsthaft und sicher ohne
> Unix-Administrationskenntnisse benutzen; wer es nicht tut, ähnelt einem
> Piloten, der ein Flugzeug nur per Autopilot fliegen kann.
Nun neige ich da sicher zur Betriebsblindheit ;-) , aber ich habe
nicht den Eindruck, dass sich GNU/Linux und Windows da wesentlich
unterscheiden. Oder eher positiv: Eine Erfahrung habe ich mit einer
einmal eingerichteten GNU/Linux-Lösung bei einer absoluten und
erklärten Laiin. Diese Lösung, die vor allem für Schreiben, Surfen,
Mail genutzt wird, läuft seit Ewigkeiten völlig problemlos und
wartungsfrei. Von Windows-NutzerInnen höre ich da durchaus anderes.
Nur, dass da als "Wartung" gewöhnlich empfohlen wird, das
Betriebssystem neu aufzuspielen...
> Solange dies
> der Fall ist, ist Freie Software auf Privat-PCs nicht mehrheitsfähig und
> auf dem Desktop in wohldefinierten Anwendungssszenarien für Firmen und
> Behörden interessant, in denen qualifizierte Unix-Administratoren sich
> im Hintergrund um Konfiguration und Pflege der Installationen kümmern.
Um es an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Für die Führung
eines wesentlich weniger komplexen Systems als einem Computer wird
wohl überall auf der Welt eine Ausbildung verlangt - oder gibt's
irgendwo führerscheinfreie Staaten? Hier wird ganz explizit gesagt:
Nur wenn du zumindest Grundfähigkeiten im Führen eines Fahrzeugs im
Straßenverkehr mitbringst, darfst du die Freiheit nutzen, die ein Auto
bringt.
Bei Computer-Nutzung glauben irgendwie alle, dass hier jeder DAU immer
gleich alles können muss. Klar - M$ suggeriert das. Das es nicht
stimmt wissen wir aber wohl alle.
Gut. Du sagst, dass es prinzipiell unter Unix / mit Freier Software
nicht möglich ist, ein gut vorkonfiguriertes Systeme zu haben, bei dem
schon ziemlich viel ohne weiteres Zutun funktioniert. Nun, nachdem ich
die Entwicklung der SuSE-Installationen nun über einige Jahre
verfolge: Ich bin immer wieder baff, wie gut die das in den Griff
kriegen. Auch übrigens, wenn SuSE leider immer schlechter wird - wohl
aufgrund kommerzieller Anforderungen :-( .
> Die Frage ist, ob etwas anderes überhaupt wünschenswert ist. Alle
> Unix-artigen Betriebssysteme sind per Design nicht sicherer als
> heutige Windows-Versionen und laufen nur deshalb besser, weil die
> Entwickler von Anwendungs- und Treibersoftware sorgfältiger arbeiten,
> die Distributoren sicherere (dadurch aber auch kompliziertere)
> Grundkonfigurationen einstellen und die Anwender mehr technisches
> Wissen besitzen und ihre Installationen besser pflegen. Ein Volks-Linux
> wäre aller Wahrscheinlichkeit nach ein Alptraum mit Rechnern, deren
> Besitzer aus Bequemlichkeit nur als "root" arbeiten (so, wie es unter
> "Lindows" bereits geschieht), die per DSL-Flatrate im Netz stehen,
> ohne daß seit Monaten bekannte Sicherheitslöcher gestopft wären, dazu
> noch mit Billig-Hardware von Saturn und Mediamarkt, deren beigelegten
> selbstinstallierenden Linux-Treiber-CDs das System mit unsauber
> programmierten Kernelmodulen und Systembibliotheken verseucht haben.
Dass das geht, bestreitet wohl keiner. Wie angedeutet gibt es auch
einen Zusammenhang zwischen Freiheit und Fähigkeit und es gibt einen
Trade-Off zwischen Freiheit und Sicherheit.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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