[rohrpost] Nachtgedanken zur Medientheorie-Debatte

Peter C. Krell pc.krell at game-face.de
Sam Jan 22 23:06:48 CET 2005


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"Aus meinem abgefilmten TV-Gähnen emergiert die Langeweile der Massen."

Ist die rhetorische Langeweile unterhaltendes Signifikat oder Effekt eines
signifikantem emotionalen Zustands, der beim Gespräch über die Abschaffung
des Medienbegriffs emergent wird?

Wenigstens wurden die Textmonumente Kittlers und auch McLuhans der globalen
Entertainment Kultur gerecht und zwar im geschickt inszenierten Antizipieren
fundamental neuer Erkenntnisse. Diese schwangen dramaturgisch durchdacht
gekonnten Schwingen zwischen technisch, stringend inszenierter Rigorosität,
mathematischem Witz und lyrischer Poesie. Im Niemandsland der schwarzen
Textgebirge dirigiert ein imaginärer Feldherr seine selbstausgehobenen
Argument-Regimenter durch das Schlachtfeld der globalen
Wissenschaftsgeschichte. Und führt die deutsche Medientheorie und damit die
deutschen Dichter und Denker so einem unverhofften intellektuellen Sieg
entgegen, der dem oberflächlichem Entertainment der Amerikaner eine
kulturelle/alteuropäische Geistestiefe entgegenstellt, die einen in letzter
Konsequenz, doch wieder an Geister glauben macht.

Lässt sich eine solche besonnene Art zu schreiben lehren oder braucht man
dazu neben einer tiefen Einsicht in seine Materie auch eine genügend große
Portion pointierendem Talents? Wer sie hat kann schmunzelnd zurückgelehnt
genießen, wie sich in Form eines intellektuellen Schauspiels die Worte der
Kontrahenten im Netz wie in den daran zu bemessenen früher und späteren
Büchern zu Extensionen des eigenen Ichs mutieren und zu Spiegeln werden der
eigenen Naivität und schließlich auch Menschlichkeit der schreibenden.

Dürfen die fröhlichen Wissenschaften auf dem Fundament der deutschen Sprache
heute noch glänzen, sollten sie auch dazu in der Lage sein, ein sich
reflektierendes mediatisiertes Dasein als diskretisierte Essenz eines
Regelwerken unterworfenen Wesens zu erkennen als das, was es ist: ein Wille
zu etwas, der dabei eine Zuhandenheit seines textwerdendes Resümés
durchblicken lässt.

Gälte es den Medienbegriff abzuschaffen, würde man unweigerlich nach
Alternativen Ausschau halten müssen. Sollte man keine Alternative haben,
könnte man von dem Gebrauch machen, was generell als das "Schweigen der
Gelehrten" Wissenschaftsgeschichte gemacht hat.

Asiaten nennen diesen Zustand des Schweigens nach Konfuzius "DO", innerliche
Mediatation und Selbstbesinnung statt Selbstauflösung. Diese Fähigkeit der
intensiven Reflektion auch zur Aktivierung der eigenen geistigen Kräfte und
in einem schlummernden Potentiale scheint in unserem mediatisierten
Zeitalter verloren gegangen zu sein. Denn man ist immer gewillt, wie einem
ständigem Interview, das nicht aufhört, gleich zu antworten und erneut
seinen Senf zu dem Geschriebenen abzugeben; sicher auch um die Debatte zu
dominieren und seinen wissenschaftlichen "Claim" abzustecken.

Warum geht keiner darauf ein, ob die Medientheorie eine Relevanz für die
Medienpraxis haben kann? Und wenn ja, wie? Flusser hatte da einen Ansatz.
Mcluhan auch. Dieser scheint inzwischen verloren gegangen zu sein.

Auch interessiert mich, wie Ihr die Theoriemöglichkeiten einer deutschen
Medientheorie einschätzt, wenn moderne Copyrights uns die Einblicke in die
ard- und Software Architekturen uns verweigern und wir selber auch keine
Ingenieure sein können. Wie kann man dann einen Dialog zu den Ingenieuren
und anderen medienpragmaten vielleicht auch im Sinne eines
Werkstattsgesprächs führen? Wäre dies nicht ein soziologischer, politischer
Ansatz? Kann man überhaupt Wissenschaftsprogramme aufstellen, die nicht nur
Anleitungen dazu sind, wie schreibe ich einen möglichst verklausulierten
Text mit viel Fremdworten (siehe oben) sondern, wie kann ich einen Text
verfassen, der im Endeffekt auch Menschen dazu beflügelt, nach dem Verstehen
dessen was man beschreibt, selbst einen praktischen Entwurf zu tätigen?

Beim Theater hat das doch auch geklappt. Zumindest mehr oder weniger.

Gruss,
Peter

"Mein wissendes Lächeln verzückt das Geheime Deutschland."